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Klarstellungen zu politischer Bildung

Stand: 23.8.2022

Eine Übersicht all unserer Forderungen gibt es hier.

In Folge des Attac-Urteils des Bundesfinanzhofes ist es offenbar nötig, gesetzlich oder im Anwendungserlass klarzustellen, wie politische Bildung für Demokratie und Menschenrechte verstanden wird. Dies sollte modernen Konzepte von politischer Bildungsarbeit entsprechen. Eventuell wäre zu erklären, was mit “geistiger Offenheit” gemeint ist.

Bildung ist oftmals ein Mittel zur Verfolgung konkreter gemeinnütziger Zwecke – so dient etwa Umweltbildung dem Zweck des Umweltschutzes. Daneben ist politische Bildung ein eigenständiger Zweck, der aus den gesetzlichen Zwecken der “Volksbildung” und der “Förderung des demokratischen Staatswesens” zusammengezogen wird. Eine Erläuterung auf der Basis moderner Konzepte haben die Finanzministerien von Bund und Ländern mit der jüngsten Überarbeitung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) vom Januar 2022 verpasst. Dem Erlass zu folge geht es

politischer Bildung (Volksbildung) “auf der Grundlage der Normen und Vorstellungen einer rechtsstaatlichen Demokratie um die Schaffung und Förderung politischer Wahrnehmungsfähigkeit und politischen Verantwortungsbewusstseins in geistiger Offenheit”;
“diese muss nicht nur in theoretischer Unterweisung bestehen, sie kann auch durch den Aufruf zu konkreter Handlung ergänzt werden”.
Politische Bildung im Sinne der Gemeinnützigkeit dürfe nicht eingesetzt werden, “um die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen”.

Der Erlass liefert keine Beschreibung, was politische Bildung ist. Er arbeitet mit unklaren Begriffen wie “geistige Offenheit”. Die Definition ist noch enger als die, mit der die Bundeszentrale für politische Bildung – eine Bundesbehörde – arbeitet.

Eine umfassende und moderne Definition im Erlass hätte so lauten können:

“Ein zeitgemäßes Verständnis von politischer Bildung umfasst die Förderung von politischer Handlungsfähigkeit und von partizipativem gesellschaftspolitischen Handeln – also die Befähigung der Bürger*innen zur Bildung einer politischen Haltung und zur wirksamen Beteiligung an aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten. Für eine funktionierende Demokratie ist es notwendig, ein modernes Verständnis von politischer Bildung zugrunde zu legen. So sind neben dem Fachwissen etwa auch die politische Urteils- und Handlungsfähigkeit sowie die Einnahme einer politischen Haltung wesentliche Elemente der politischen Bildungsarbeit. Dies umfasst auch eine gesellschaftskritische und intervenierende Auseinandersetzung, die Artikulation von erkennbar normativen politischen Positionen und eine pluralistische Bildungslandschaft, in der die spezifischen und vielfältigen weltanschaulichen und religiösen Positionen und Werte ihren Platz finden.

Den normativen Rahmen für die politische Bildung bildet die verfassungsmäßige Ordnung des Grundgesetzes, insbesondere die Grundrechte. Daher ist Kritik beispielsweise an der Struktur oder dem Zustand staatlicher Institutionen oder an der Wirtschaftsordnung erlaubt. Konzepte, die sich auf die Ungleichbehandlung von Menschen stützen, widersprechen hingegen klar Artikel 1 und 3 des Grundgesetzes. Daher ist beispielsweise auch der Ausschluss von Personen, die offen rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Bestrebungen verfolgen, nicht schädlich für die Gemeinnützigkeit.”

Diese Definition folgt einer Formulierung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) in ihrem Entwurf eines Demokratiestärkungsgesetzes von 2021. Auf der Basis fachlicher Bildungsdebatten hat die GFF diese Erklärung erarbeitet. Sie ist Teil der Gesetzesbegründung.

Politische Bildung als ausdrücklicher Zweck

Die GFF schlägt zudem vor, den Zweck der politischen Bildung ausdrücklich und eigenständig in Ziffer 24 aufzunehmen (neue Formulierungen sind unterstrichen):

“die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens einschließlich der demokratischen Teilhabe, insbesondere der politischen Bildung im Geltungsbereich dieses Gesetzes; hierzu gehören nicht Bestrebungen, die nur bestimmte Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art verfolgen oder die auf den kommunalpolitischen Bereich beschränkt sind die umfassende Unterstützung von einzelnen Parteien oder freiwilligen Wählergemeinschaften verfolgen;“