Visit page
Zum Inhalt springen

Autor: Stefan Diefenbach-Trommer

Vereinsverbot gegen Rechtsextremisten

Der Hessische Innenminister hat den Verein „Sturm 18“ gestern mehr als anderthalb Monate nach seiner Eintragung verbotenZeitungsberichten zufolge wollte der Neonazi-Verein auch die Gemeinnützigkeit erreichen – ob ein Antrag auf Anerkennung gestellt oder beschieden wurde, ist uns nicht bekannt.

Dass Verfassungsfeinde steuerbegünstigt Spenden sammeln könnten, wird gelegentlich eingewandt gegen unsere Forderungen. Doch bei den gemeinnützigen Zwecken finden Neonazis schon heute ihre Nischen: Sie können politische Bildung betreiben, sich der Brauchtumspflege widmen, einen Sportverein aufmachen oder Strafgefangene unterstützen. Das Gemeinnützigkeits-Recht setzt eine andere Grenze, die auch künftig gelten soll: Gemeinnützig kann nicht sein, wer gegen die Rechtsordnung verstößt (Abschnitt 55 AEAO zu § 63, Ziffer 5) und wer gegen die Völkerverständigung und die Verfassung arbeitet (§ 51 III AO). Zudem sind wir der Auffassung, dass Hetze gegen Menschen nicht die Allgemeinheit fördern kann.

Die gleichen Voraussetzungen gelten für ein Vereinsverbot. Und wie der aktuelle Fall zeigt, verbieten die Behörden rechtsextreme Vereine, statt sich nur mit ihrer Gemeinnützigkeit zu beschäftigen. Bis dahin braucht es allerdings etwas Zeit, um das Verbot begründen zu können. Den Finanzämtern würde es kaum anders gehen. Letztlich sind solche Vereine meist Tarnvereine. Ihr Treiben entspricht nicht dem, was sie in ihrer Satzung behaupten. Diese „tatsächliche Geschäftsführung“ ist dann für Finanzämter der Anlass, die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Das geht allerdings nur bei rückwirkender Betrachtung der Aktivitäten, ebenso, wie die Polizei für Straf- oder Verbotsverfahren zunächst Indizien und Beweise sammeln muss.

Verboten werden können übrigens nicht nur eingetragene Vereine. Das Vereinsgesetz, das das Verbot regelt, meint damit alle Personenzusammenschlüsse. Die Innenminister können also lange vor einer Vereinseintragung und einer beantragten Gemeinnützigkeit einschreiten.

Wir stellen ein: Koordinator/in (halbe Stelle)

Die Bewerbungsfrist ist abgelaufen, wir nehmen keine Bewerbungen mehr an!

Die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ ist ein Zusammenschluss von mehr als 50 Vereinen und Stiftungen, die ein modernes Gemeinnützigkeitsrecht fordern. Zivilgesellschaft ist gemeinnützig – doch Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich regelmäßig politisch äußern, sind ständig der Gefahr ausgesetzt, ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren. Die Allianz fordert gesetzliche Klarstellungen, um Rechtssicherheit für gemeinnützige Organisationen zu schaffen. Um das zu erreichen, führt die Allianz Gespräche mit der Politik und erweitert stetig ihren Mitgliederkreis. Die Arbeit der Allianz wird von zwei Personen koordiniert.

Eine der beiden Koordinatoren-Stellen ist neu zu besetzen. Dafür sucht die Allianz zum 1. Januar 2016 eine Mitarbeiterin/einen Mitarbeiter auf einer halben Stelle (20 Stunden/Woche), bevorzugt in Berlin im Homeoffice, zur Koordination der Allianz, zur Analyse der Sach- und Rechtslage sowie für Politik-Gespräche.

Das bringen Sie mit:

  • abgeschlossenes Studium
  • Erfahrungen mit der Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen, insbesondere im Bereich politischer Willensbildung oder Advocacy
  • sehr gute analytische Fähigkeiten
  • klarer Schreibstil
  • selbstständige und strukturierte Arbeitsweise
  • idealerweise Erfahrung in Lobby-Arbeit
  • idealerweise Kenntnisse des Gemeinnützigkeitsrechts
  • idealerweise Erfahrung mit Bündnis-Arbeit

Das bieten wir:

  • unbefristete Stelle
  • halbe Stelle = 20 Wochenstunden
  • Gehalt in Anlehnung an TVöD Entgeltstufe 12
  • kollegiale Zusammenarbeit im Zweier-Team
  • Wir können keinen Büro-Arbeitsplatz in Berlin bieten, aber eine Aufwands-Pauschale für einen Heimarbeitsplatz.

Wir erwarten Ihre aussagekräftige Bewerbung bis zum 31. Oktober 2015 per E-Mail an bewerbung@zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de – das Motivationsschreiben sollte direkt in der Mail stehen, alle weiteren Unterlagen bitte im Anhang, möglichst als PDF, insgesamt maximal drei Megabyte. Bitte stellen Sie auf ca. einer halben Seite dar, welche nächsten Schritte Sie der Allianz empfehlen würden.

Finanzamt Frankfurt entzieht Dona Carmen Gemeinnützigkeit

Das Finanzamt Frankfurt hat der Prostituiertenberatungsstelle Doña Carmen rückwirkend ab 2011 die Gemeinnützigkeit aberkannt und verlangt, dass der Verein sein Vermögen abführt. Dazu erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Koordinator der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“:

„Bund und Länder müssen das Gemeinnützigkeitsrecht ändern. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich selbstlos für die Allgemeinheit engagieren, können künftige Entscheidungen des Finanzamtes kaum vorhersagen und sind daher von Rechtsunsicherheit bedroht. Das Gesetz bildet heute nicht den gesellschaftlichen Konsens darüber ab, was gemeinnützig ist.

Tagung „Wenn Konzerne den Protest managen“ am 26. September

Gemeinnützigkeit kann missbraucht werden – etwa dann, wenn Unternehmen oder deren Vertreter gemeinnützige Vereine gründen, die in ihrem Sinne Einfluss auf die politische Willensbildung nehmen mit PR-Kampagnen unter dem Deckmantel zivilgesellschaftlichen Engagements. Der Verein schmückt sich mit dem vermeintlichen Gütesiegel der Gemeinnützigkeit und dem Nimbus der Initiative. Verschleiert wird aber, dass hinter dem Verein eigennützige Interessen stecken. Aus unserer Sicht, darf ein eigennütziger Verein nicht als gemeinnützig anerkannt werden, da er eben nicht selbstlos die Allgemeinheit fördert.

Dieser Erscheinungsform von „Protest- und Akzeptanzmanagement“, aber auch Gegenstrategien, widmet sich die Tagung „Wenn Konzerne den Protest managen“ am Samstag, 26. September, in Berlin, veranstaltet unter anderem von Robin Wood und LobbyControl.

Frankfurter Rundschau zu Attac und Gemeinnützigkeit

Auf einer Doppelseite nimmt sich die Frankfurter Rundschau in der Wochenendausgabe dem Thema Gemeinnützigkeit und politische Willensbildung an. Auf den Seiten 2 und 3 berichtet Attac-Geschäftsführerin Stephanie Handtmann im Interview von der laufenden Auseinandersetzung: „Wir sind seit Mai 2014 im Widerspruchsverfahren und erwarten im Herbst eine Entscheidung. Wir als Attac sind hundertprozentig davon überzeugt, dass wir gemeinnützig sind, und wir werden vor Gericht gehen, falls wir einen negativen Bescheid erhalten.“ Attac gehöre selbstverständlich zu den Organisationen, die sich für das Wohl der Allgemeinheit einsetzen. Sie berichtet auch davon, wie sehr es die Arbeit erschwert, wenn der steuerrechtliche Gemeinnützigkeits-Status fehlt. Die Gründung der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ wird ebenfalls berichtet.

Am aktuellen Beispiel des Engagements für Flüchtende analysiert die Frankfurter Rundschau: „Wenn die Helfer Flüchtlingen Deutsch beibringen, alte Spielsachen und Kleidungsstücke aus dem Keller holen und sie in ihren Privatwohnungen unterbringen, übernehmen sie jedoch Aufgaben, die eigentlich organisatorische Angelegenheit des Staates wären. … Das Engagement der Bürger wird automatisch politisch, da sie öffentliche Aufgaben übernehmen.“

Stefan Nährlich, Geschäftsführer des Vereins Aktive Bürgerschaft, kommt mit der Forderung zu Wort, dass der Staat den gemeinnützigen Verbänden erlauben müsse, an der politischen Willensbildung mitzuwirken.

Grüne Bundestagsfraktion zu bürgerschaftlichem Engagement

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat ein Positionspapier zu bürgerschaftlichem Engagement veröffentlicht. Darin kündigt die Fraktion an, „die Liste der Zwecke der Gemeinnützigkeit im Steuerrecht (§ 52 Abgabenordnung) überprüfen und erweitern (zu wollen), um zum Beispiel die Förderung von Menschenrechten und Frieden explizit aufzunehmen“ (Seite 4). Damit hat die Fraktion eine unserer zentralen Forderungen übernommen.

Die Fraktion erkennt an, dass Engagement „Kern einer lebendigen und verantwortungsbewussten Zivilgesellschaft“ ist und dazu ehrenamtliche Arbeit ebenso gehört wie Geldspenden, dass Helfen ebenso dazu gehört wie die politische Meinungsbildung.

Wir führen die Übernahme unserer Position auch darauf zurück, dass Matthias Fiedler, Vorstand der Bewegungsstiftung, unsere Forderungen in einer Kommentar-Runde eingebracht hatte.

Die Grüne Bundestagsfraktion fordert in dem Papier zudem eine „weitest gehende Transparenz über Herkunft von Spenden, Fördermitteln und mögliche Abhängigkeiten“. Es müsse einfach nachprüfbar sein, wer von wem Gelder erhält. Dazu wollen die Grünen große Nonprofit-Organisationen zur Veröffentlichung von Jahresberichten verpflichten.

Wie Unternehmen gemeinnützig lobbyieren

Die „Stuttgarter Nachrichten“ beleuchten mit der „Stiftung Familienunternehmen“ einen weiteren Fall, in dem sich ein Lobbyverband der Gemeinnützigkeit bedient. Diese Stiftung nimmt ganz offenbar Einfluss auf die politische Willensbildung, wenn sie gegen die Erbschaftssteuer kämpft – doch tut sie das nicht selbstlos und nicht im Interesse der Allgemeinheit, sondern für ganz spezifische Interessen, für einen sehr begrenzten Kreis von Begünstigten.

Soll es gemeinnützig sein, sich in politische Debatten einzumischen? In einer streitbaren Demokratie kann die Antwort nur „Ja!“ lauten. Doch unter welcher Bedingung sollte diese Einmischung steuerlich begünstigt sein? Sie muss selbstlos die Allgemeinheit fördern.

Die „Stuttgarter Nachrichten“ steigen prominent auf Seite 1 ein, liefern auf einer halben Zeitungsseite mehr Hintergrund und kommentieren schließlich: „Das Finanzamt streicht Attac die Gemeinnützigkeit, weil die linke Lobbytruppe eine Steuer auf Finanztransaktionen fordert.Und eine „Stiftung“, die die Abschaffung einer Steuer fordert – der Erbschaftsteuer – bleibt unbehelligt? Man muss kein Experte sein, um zu merken: Da passt etwas nicht zusammen.“

ARD-Reportage zu Grenzfällen der Gemeinnützigkeit

Als gemeinnützig anerkannt sein können nur Organisationen, die selbstlos die Allgemeinheit fördern. Die ARD-Reportage „Steuerfrei e. V. – Millionengeschäfte mit der Gemeinnützigkeit“ zeigte am 24. August 2015 Organisationen, die offenbar nicht selbstlos handeln, sondern nur im Interesse ihrer Mitglieder – und die dennoch als gemeinnützig anerkannt sind.

Unverständlich ist, dass anderen Organisationen die Gemeinnützigkeit entzogen wird, wenn sie selbstlos zur Förderung der Allgemeinheit an der politischen Willensbildung mitwirken. Die „Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik“ lobbyiiert für Waffenhersteller und ist als gemeinnützig anerkannt. Wenn Vereine wie Attac eine gerechte Steuerpolitik fordern, streicht das Finanzamt die Gemeinnützigkeit.

Die Reportage kritisiert etwas zu allgemein Schlupflöcher in der Gemeinnützigkeit, ohne den Unterschied zwischen Selbstlosigkeit und Förderung der Allgemeinheit deutlich zu machen. Sie zitiert mit Prof. Dr. Wolfram Richter eine Haltung, das Gemeinnützigkeitsrecht generell deutlich restriktiver zu handhaben, womit auch gesellschaftliches Engagement anders behandelt würde.

LobbyControl weist in einem Blog-Beitrag auf zwei weitere Beispiele hin, bei denen kommerzielle Interessen von Unternehmen mit den Aktivitäten an sie gebundener gemeinnütziger Organisationen vermischt werden.

Zivilgesellschaftliche Organisationen unverzichtbar für Demokratie

Zivilgesellschaftlichen Organisationen „sind der eigentliche Nährboden der Demokratie. Dafür sollen sie Unterstützung finden. Das Privileg der Gemeinnützigkeit ist die angemessene Form, ihre politische Tätigkeit zu würdigen“, schreibt der Politikwissenschaftler Dr. Rudolf Speth in einem Kommentar für die Stiftung „Aktive Bürgerschaft“ über die Gründung der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“. Die derzeitigen Probleme bei Beiträgen zur politischen Willensbildung seien ein „gravierendes Problem“. „Die Liste der gemeinnützigen Zwecke in der Abgabenordnung muss schon allein deshalb erweitert werden, um die Substanz der Demokratie zu erhalten.“

Speth, der über Lobbying, Interessenpolitik, politische Kommunikation und bürgerschaftliches Engagement schreibt und forscht, erklärt, die Vielfalt der Gesellschaft könnten nur zivilgesellschaftliche Organisationen und Gruppen zu Gehör bringen, da die Parteien die Gesellschaft längst nicht mehr in der gesamten Breite repräsentierten. Unbenommen sei deren Aufgabe, sich an Wahlen zu beteiligen, das politische Personal auszuwählen und auszubilden sowie dafür zu sorgen, dass politische Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden.

Zum gesamten Kommentar…

Zwei Beiträge zu Problemen der politischen Willensbildung

Das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement veröffentlicht im aktuellen Newsletter gleich zwei umfangreiche Beiträge rund um unser Thema.

Die Einschränkung der politischen Willensbildung durch das Gemeinnützigkeitsrecht ist das Thema des Gastbeitrages von Stefan Diefenbach-Trommer, Koordinator der Allianz »Rechtssicherheit für politische Willensbildung«. Mit einer Reihe von Fallbeispielen zeigt er, wie zivilgesellschaftliche Organisationen immer wieder von Finanzämtern mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit bedroht werden, wenn sie zu Demonstrationen aufrufen, Menschenrechte schützen wollen oder sich anderweitig für das Gemeinwohl engagieren.  Zum BBE-Newsletter…

Fides Ochsenfeld, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Maecenata-Institutes, berichtet vom Kolloquium „Sind politische Kampagnen gemeinnützig?“, das das Institut zusammen mit dem Verein für Protest- und Bewegungsforschung am 26. Mai 2015 in Berlin veranstaltet hatte. Zum BBE-Newsletter…