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Bremen und Berlin wollen Ziele für Reform setzen

Last updated on 19. März 2020

Die Stadtstaaten Bremen und Berlin (beide rot-grün-rot regiert) haben in den Bundesrat eine Entschließung zur Gemeinnützigkeit eingebracht, die dort am 13. März zunächst in den Finanzausschuss verwiesen wurde. Die Entschließung mit der Drucksachennummer 114/20 macht keine konkreten Regelungs-Vorschläge, aber sie setzt Zielmarken. Solche Zielmarken scheinen bisher in den Überlegungen der Fachleute in den Finanzministerien zu fehlen.

Insbesondere die Begründung zeigt, dass Verwaltung und Minister*innen die Situation nach und nach verstehen, auch dank unserer Arbeit sowie Initiativen vieler einzelner Organisationen. Solche Briefe und Gespräche wirken. Zwar steht zum Teil noch im Vordergrund, dass es eine Abgrenzung zu Parteien brauche. Der Begriff “politisch” ist noch nicht immer klar. Aber es gibt sehr klare Aussagen wie in der Erklärung des Bremer Finanz-Staatsrates Olaf Joachim:

  • “In meinen zahlreichen Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern gemeinnütziger Organisationen wurde deutlich, dass die Anerkennung der Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt neben der Befreiung von der Steuer und der Abziehbarkeit von Spenden noch weitere Folgen haben kann, die mit der Steuer gar nichts zu tun haben.”
  • “Der Staat muss zeitgemäße Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Körperschaften, die die Demokratie durch die Beteiligung an zivilgesellschaftlichen Debatten fördern, steuerlich gefördert werden.”
  • “Vereine und zivilgesellschaftliche Organisationen sind wichtige Multiplikatoren und unverzichtbare Gesprächspartner bei allen Arten von gesellschaftlichen Themen – auch in den Medien. Sie dienen damit der politischen Willensbildung. Für unsere Demokratie ist es wichtig, dass sich Bürgerinnen und Bürger an der politischen Willensbildung beteiligen. Die politische Beteiligung findet heutzutage längst nicht mehr nur in den Parteien statt, sondern zunehmend auch durch Organisationen wie Attac oder Campact. Aber auch einem Fußballverein muss es möglich sein, sich rechtssicher politisch zu betätigen, beispielsweise wenn er sich gegen Rassismus engagiert.”

Folgen die Länder dem Antrag, dann stellen sie fest, dass “in der Folge des sog. Attac-Urteils des Bundesfinanzhofes in Teilen der Zivilgesellschaft erhebliche Unsicherheit besteht” und erklären “ehrenamtliches zivilgesellschaftliches Engagement für unverzichtbar und für eine tragende Säule in vielen Bereichen unseres Gemeinwesens”. Körperschaften müssten sich “im Rahmen der freiheitlich demokratischen Grundordnung” auch politisch engagieren dürfen, ohne ihre Steuerbegünstigung zu verlieren. Dafür sollten entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Zwar steht tatsächlich nicht erst seit dem Attac-Urteil in Frage, “inwieweit sich ein gemeinnütziger Verein überhaupt politisch betätigen darf”, wie der Bremer Staatsrat meint – Vereine und Stiftungen haben schon zuvor immer wieder bedrohliche Auseinandersetzungen mit Finanzämtern dazu gehabt. Doch dass das Problem so auch in den Köpfen der Verwaltung anerkannt wird, ist gut. Wichtig ist noch zu verstehen, dass es nicht nur um explizit politisch tätige Vereine geht, sondern fast alle gemeinnützigen Vereine auch politisch handeln, auf die Gesellschaft einwirken. Immerhin heißt es in der Begründung des Antrags:

“Elementare Bestandteile einer lebendigen Demokratie sind eine kritische Zivilgesellschaft und starke Organisationen, die politische Entscheidungsprozesse aktiv begleiten, sich einmischen und Stellung beziehen. Die selbstlose Beteiligung an der öffentlichen Meinungsbildung sowie der politischen Willensbildung sind Kennzeichen des zivilgesellschaftlichen Engagements und ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Gemeinwesens. … Ein modernes Steuerbegünstigungsrecht sollte die Beteiligung am politischen Diskurs auch für spezifische Anliegen in frei gewählten Politikfeldern im demokratischen Prozess öffnen, um dem Interesse an einem breiten demokratischen Diskurs gerecht zu werden.”

Die Erklärung des Bremer Staatsrats findet sich im Protokoll der Bundesrats-Sitzung ab Seite 88.