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Bundesrat entscheidet über Vorschläge zur Gemeinnützigkeit

In ihrer Stellungnahme zum Jahressteuergesetz 2020 werden die Bundesländer in der Bundesrats-Sitzung am Freitag, 9. Oktober, voraussichtlich erneut ihre Forderungen zur Reform des Gemeinnützigkeitsrechts beschließen. [Aktualisierung – zum Beschluss siehe hier.] Die Empfehlung der Bundesrats-Ausschüsse wiederholt weitgehend Forderungen der Länder vom Vorjahr, aber es gibt einige Neuerungen. Zu den Forderungen gehören neue Zwecke von Klimaschutz bis „Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden“, Erleichterungen des Ausstiegs aus der Gemeinnützigkeit und der zeitnahen Mittelverwendung für kleine Organisationen sowie neu eine Klarstellung zu politischen Tätigkeiten.

Der Entwurf der Bundesregierung (der bereits am Donnerstag auch in erster Lesung im Bundestag behandelt wird) sah keine Regelungen zu Gemeinnützigkeit vor. Im vergangenen Jahr hatte die Regierung sich gegen die Länder-Vorschläge ausgesprochen und auf einen kommenden, umfassenden Entwurf des Bundesfinanzministeriums zur Gemeinnützigkeit verwiesen – der bisher nicht erschienen ist. Ob Bundesregierung oder Bundestag nun den Vorschlägen folgen, ist offen. Offen ist auch noch, ob der Bundesrat die Ausschuss-Vorlage in der Form beschließt.

In der Vorlage im Einzelnen:

Klarstellung zu politischen Tätigkeiten

(ab Seite 152 der Vorlage, Ziffer 53)

Mit der Vorlage wird die Bundesregierung gebeten, diese neue Ziffer 11 in § 58 der Abgabenordnung zu prüfen und aufzunehmen:

„(Die Steuervergünstigung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass)
eine steuerbegünstigte Körperschaft bei der Verfolgung ihrer steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke politisch tätig wird, wenn ihre steuerbegünstigte Tätigkeit mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist.“

(Siehe zum vorangegangenen Beschluss des Bundesrat-Finanzausschusses hier.)

Damit wäre abgesichert, dass etwa ein Verein zur Förderung von Radwegen mit dem gemeinnützigen Zweck „Umweltschutz“ auch nur mit politischen Forderungen sein Ziel verfolgt. Gleiches würde gelten für einen Verein zur Gleichberechtigung der Geschlechter.

Möglich werden soll damit laut Begründung auch ein „Aufruf eines Sportvereins gegen Rassismus anlässlich von Vorkommnissen bei einem Fußballspiel“ oder „wenn Karnevals- oder Sportvereine sich für Frieden oder gegen Rassismus engagieren und zu Friedens- oder Antirassismus-Demonstrationen aufrufen“.

Aktualisierung: Tatsächlich hat im Bundesrat dieser Vorschlag im Gegensatz zu allen anderen Gemeinnützigkeits-Vorschlägen keine Mehrheit erhalten.

Neue gemeinnützige Zwecke

(ab Seite 140 der Vorlage, Ziffer 44 und 45)

Als neue gemeinnützige Zwecke in § 52 der Abgabenordnung werden vorgeschlagen:

  • Klimaschutz als Ergänzung zu Umweltschutz in Ziffer 8, u.a. mit der Begründung, dass die Förderung des Klimaschutzes durch vorhandene Zwecke „möglicherweise nicht gänzlich abgedeckt werden kann“ und weil durch die ausdrückliche Nennung „das Engagement eines jeden Einzelnen für die nicht nur nationale, sondern globale Aufgabenstellung, den Klimawandel zumindest abzumildern und damit die Überlebensgrundlagen der Menschen auch für die Zukunft zu sichern“ anerkannt werde.
  • Förderung der Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden“ als Ergänzung der Sammlung in Ziffer 10. Die „Präzisierung“ soll „zu einer Vereinfachung im Verwaltungsvollzug“ führen und „eine moderne gesellschaftliche Entwicklung begleiten“. Die Formulierung ist kompliziert, aber gerade zusammen mit der Klarstellung zu politischen Tätigkeiten bietet sie eine gute Grundlage nicht nur für Beratung und Aufklärung, sondern auch für Empowerment und Forderungen an den Gesetzgeber.
  • Freifunk als neue Ziffer 26: „Förderung der Einrichtung und Unterhaltung von Kommunikationsnetzwerken, die der Allgemeinheit ohne Gegenleistung offenstehen (Freifunk-Netze). Als Gegenleistung in diesem Sinne gilt insbesondere die Erlaubnis zur Verwendung oder Weitergabe der Nutzerdaten für gewerbliche Zwecke.“
  • Ortsverschönerung als Ergänzung in Ziffer 22 nach Heimatpflege und Heimatkunde.
  • „Förderung der Unterhaltung und Pflege von Friedhöfen und die Förderung der Unterhaltung von Gedenkstätten für nichtbestattungspflichtige Kinder und Föten“ (Sternenkinder) als neue Ziffer 9a

Ausstiegsregel aus der Gemeinnützigkeit

(Seite 126 der Vorlage, Ziffer 34)

Gemeinnützige Vereine und Stiftungen, die gezielt aus der Gemeinnützigkeit aussteigen, haben künftig die Wahl,

  • wie in der Satzung vorgesehen das gesamte Vermögen an eine dort genannte gemeinnützige Körperschaft abzuführen oder
  • 30 Prozent des Vermögens als einmalige Körperschaftssteuer zu zahlen.

Damit wird der Ausstieg kalkulierbar. Alle vorherigen Vorteile sollen durch die Abgeltung nicht angetastet werden – es wird rückwirkend keine Erbschaftssteuer und keine erhöhte Umsatzsteuer für einen Zweckbetrieb fällig, Spenden müssen nicht nachversteuert werden.

Geregelt werden soll dies durch eine Neufassung des Absatz 3 in § 61 der Abgabenordnung plus einem neuen Absatz 4 dort und einer Änderung in § 23 des Körperschaftssteuergesetzes.

Diese einmalige Abgeltung soll möglich sein, wenn durch eine Satzungsänderung die Vermögensbindung aufgegeben wird oder „wenn die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft gegen den Grundsatz der Vermögensbindung verstößt“, also wohl auch im Fall einer Aberkennung der Gemeinnützigkeit.

Bisher gilt, dass in so einem Fall die Satzung „von Anfang an als steuerlich nicht ausreichend“ gilt. Neu sollen „zum Ausstiegszeitpunkt die Steuerbegünstigungen“ entfallen. Auf Antrag wird das Vermögen nach dem Buchwert bemessen.

Aus der Begründung dazu:

„Nach geltendem Recht führt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Vermögensbindung zu einer rückwirkenden Nachversteuerung bis zu zehn Jahren. Das bisherige Verfahren ist in der Praxis äußerst bürokratieaufwändig. Ebenso sind die Folgen des rückwirkenden Entzugs des Status der Gemeinnützigkeit für die Körperschaft nicht vollends abschätzbar. … Durch das neue Verfahren ist es entbehrlich, die bisherige steuerliche Behandlung rückwirkend zu korrigieren. … Der Körperschaft bleibt der Status der Gemeinnützigkeit für die zurückliegenden Veranlagungszeiträume, in denen sie ihre Zwecke satzungsgemäß erfüllt hat, erhalten. Die Ausstiegsabgabe gestaltet den dauerhaften Übergang der Körperschaft von der steuerbegünstigten in die nichtprivilegierte Sphäre bürokratiearm und rechtssicher. Mit der Abgabe werden die bisherigen mit dem Gemeinnützigkeitsstatus verbundenen Steuervorteile der Körperschaft und von Dritten pauschal umfassend abgegolten.“

Vereinfachte Mittelweitergabe zwischen Gemeinnützigen

(ab Seite 146 der Vorlage, Ziffer 48)

Durch eine Neufassung der Ziffer 1 in § 58 der Abgabenordnung und eine Zusammenlegung mit Ziffer 2 wird die Weitergabe von Geld zwischen gemeinnützigen Organisationen vereinfacht und für die gebende Organisation sicherer. Es soll keine Beschränkung in der Höhe mehr geben – bisher wurde unterschieden zwischen Organisationen, die Geld für andere beschaffen (Fördervereine) und anderen, die nur teilweise Geld weitergeben.

Mittelweitergabe ist etwas anderes als Spenden. Spender*innen können für ihren Steuervorteil auf die Zuwendungsbescheinigung vertrauen. Künftig können weitergebende Organisationen ebenfalls auf die Gemeinnützigkeit der empfangenden Organisation vertrauen, wenn die ihre bestehende Gemeinnützigkeit etwa durch einen aktuellen Steuerbescheid nachgewiesen hat. Wird der empfangenden Organisation später die Gemeinnützigkeit aberkannt, hat das keine Folgen für die gebende Organisation. Dieser Vertrauensschutz ist bisher nicht klar geregelt.

Schon jetzt kann etwa ein Gesangsverein Geld an einen Umweltschutzverein weitergeben – das wird nun besser abgesichert. Doch selbst für den Umweltschutz tätig werden dürfte der Gesangsverein nicht, weil er ausschließlich seine eigenen gemeinnützigen Zwecke verfolgen muss. Hier wünschen wir uns eine analoge Lockerung.

Kein Anerkennungsbescheid bei nicht-gemeinnütziger Tätigkeit

(Seite 149 der Vorlage, Ziffer 49)

Die Anerkennung der Satzung nach § 60a der Abgabenordnung setzt bisher nur eine formal korrekte Satzung voraus. Künftig soll diese Anerkennung verweigert werden können, wenn „zum Zeitpunkt des Erlasses des erstmaligen Körperschaftsteuerbescheids oder Freistellungsbescheids bereits Erkenntnisse vor(liegen), dass die tatsächliche Geschäftsführung gegen die satzungsmäßigen Voraussetzungen verstößt“.

Erst kürzlich urteilte ein Gericht im Fall des rechtsextremistischen „Instituts für Staatspolitik“, dass die Anerkennung der Satzung nicht wegen Erkenntnisse über Fehler in der Geschäftsführung abgelehnt werden kann.

Keine Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung für kleine Vereine

(Seite 143 der Vorlage, Ziffer 46)

Im Prinzip müssen gemeinnützige Organisationen jeden eingenommenen Euro spätestens im übernächsten Jahr ausgegeben haben. Diese Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung soll für kleine Organisationen („jährliche Einnahmen bis 45.000 Euro“) in § 55 der Abgabenordnung aufgehoben werden. Damit würde auch ein Nachweis von Rücklagen solcher Vereine mit geringen Umsätzen entfallen.

Weitere Vorschläge

…die für unsere Forderungen und die meisten Mitgliedsorganisationen wenig relevant sind:

  • Spendenbescheinigungen erst ab 300 (statt bisher ab 200 Euro) nötig (Seite 122 der Vorlage, Änderung § 50 der Einkommenssteuerdurchführungsverordnung) (Ziffer 32)
  • Anhebung der Ehrenamtspauschale um 120 Euro auf 840 Euro, der Übungsleiterpauschale von 2.400 auf 3.000 Euro im Jahr (Seite 111 der Vorlage, Änderung § 3 Einkommenssteuergesetz) (Ziffer 21)
  • Steuerfreiheit für Sachleistungen aufgrund einer Ehrenamtskarte (Seite 112 der Vorlage, Änderung § 3 Einkommenssteuergesetz ) (Ziffer 22)
  • Anhebung der Freigrenzen für Wirtschaftsbetriebe bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer von 35.000 Euro auf 45.000 Euro (ab Seite 149 der Vorlage, Änderung § 64 Abgabenordnung) sowie Erhöhung des Freibetrags bei Gewinnen auf 7.500 Euro (Seite 130 der Vorlage). (Ziffer 35 und 50)
  • Klarstellung, dass „Einrichtungen zur Unterbringung, Versorgung, Verpflegung und Betreuung von Bürgerkriegsflüchtlingen oder Asylbewerbern“ als Zweckbetrieb vom Wohlfahrtsbegriff umfasst sind, sowie Erweiterung der Zweckbetriebseigenschaft des § 68 Nummer 4 AO um die „Fürsorge für psychische und seelische Erkrankungen“ (Seite 151 der Vorlage, Änderung § 68 der Abgabenordnung) (Ziffer 51 und 52)
  • Erleichterung von Kooperationen unter Gemeinnützigen (ab Seite 149 der Vorlage, Änderung § 57 Abgabenordnung) (Ziffer 49)

Was fehlt

In der Vorlage für den Bundesrat fehlen noch weitere dringend nötige Zwecke wie die Förderung der Grund- und Menschenrechte oder der sozialen Gerechtigkeit.

Es fehlen nötige Klarstellungen zum vorhandenen Zweck „Förderung des demokratischen Staatswesens“ und zur politischen Bildung. Durch das Attac-Urteil ist hier große Unklarheit entstanden.

Nicht angefasst wird die in § 51 der Abgabenordnung festgelegte Beweislastumkehr.

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