Einige Antworten auf Fragen, was gemeinnützige Organisationen rund um den Ukraine-Krieg (und dagegen) tun dürfen (und was nicht), ohne ihre Gemeinnützigkeit zu gefährden.
Dieser Beitrag enthält allgemeine und unverbindliche Hinweise, er stellt keine Rechtsberatung dar.
Inhaltsverzeichnis
Problemlos: Stellungnahmen abgeben
Mit den jüngsten Änderungen des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) haben die Finanzministerien von Bund und Ländern endlich klargestellt, dass gemeinnützige Organisationen sich aus aktuellem Anlass auch über ihren eigenen gemeinnützigen Zweck hinaus äußern dürfen:
“In Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ist es nicht zu beanstanden, wenn eine steuerbegünstigte Körperschaft außerhalb ihrer Satzungszwecke vereinzelt zu tagespolitischen Themen Stellung nimmt.”
(Mehr dazu siehe hier.)
Damit ist etwa der Aufruf, an einer Friedensdemonstration teilzunehmen, ebenso abgedeckt wie Aussagen auf der eigenen Website oder auf Social-Media-Kanälen. Ein Krieg und auch Reaktionen darauf, Parlamentsbeschlüsse oder Aussagen von Regierungsmitgliedern, sind eindeutig “tagespolitische Themen”. Um Stellung zu beziehen, können auch Mittel aufgewandt werden.
Wenn ein Verein sich dauerhaft mit neuen Themen (etwa der “Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens”, der Hilfe für “Flüchtlinge, Vertriebene, Aussiedler, Spätaussiedler, Kriegsopfer, Kriegshinterbliebene, Kriegsbeschädigte und Kriegsgefangene” oder “des Andenkens an Verfolgte, Kriegs- und Katastrophenopfer”) Themen beschäftigt, sollte er entsprechende Zwecke in die Satzung aufnehmen.
Wie “politisch” die Beschäftigung sein darf, ist nicht eindeutig geklärt. Der Bundesfinanzhof erklärte in einem Urteil, die “politische Einflussnahme” dürfe “die anderen von der Körperschaft entfalteten Tätigkeiten jedenfalls nicht ‘weit überwiegen'”. Ob eine Meinungsäußerung überhaupt zu dieser “Einflussnahme” gehört, wird unterschiedlich gesehen. Wer also hauptsächlich ganz andere Dinge tut, von Fußballtraining über Bäume pflanzen bis Bildungsseminare, braucht sich keine Sorgen zu machen.
Ob die Stellungnahme “Endlich Waffen an die Ukraine liefern” oder “Frieden schaffen ohne Waffen” lautet, ist dabei ohne Belang. Das Finanzamt entscheidet nicht, welche Forderung gut oder schlecht ist. Aufrufe zu Straftaten, Beleidigungen oder ähnliches können jedoch schon den Status der Gemeinnützigkeit kosten.
Problematisch: Verwendung eigener Mittel
Die eigenen Mittel darf eine gemeinnützige Organisation nur für ihre eigenen satzungsmäßigen Zwecke verwenden. Dem Gesetz nach darf also ein Sportverein nicht über sportliche Aktivitäten hinaus Menschen helfen, die vor Krieg und Vertreibung geflohen sind.
Es ist zu erwarten, dass das Bundesfinanzministerium in Kürze einen Erlass veröffentlicht, der diese Tätigkeit für andere gemeinnützige Zwecke erlaubt. Solche Nothilfe-Erlasse veröffentlicht das Bundesfinanzministerium regelmäßig – zuletzt in der Corona-Krise und zur Hilfe für Flutopfer, auch in den Jahren 2015 und 2016 für die Geflüchtetenhilfe.
(Nachtrag – Veröffentlicht am 17. März 2022 – siehe unten.)
Soweit es um humanitäre Hilfe geht, reichen dafür auch die vorhandenen gesetzlichen Zwecke aus. Das Engagement für Frieden oder gegen Krieg an sich steht leider nicht eindeutig in der Abgabenordnung.
Problemlos: Mittelweitergabe
Seit Ende 2020 können gemeinnützige Organisationen Mittel nahezu unbegrenzt an andere gemeinnützige Organisationen weitergeben. Ein Umweltschutzverein kann also Geld an einen Wohlfahrtsverband geben, um hier ankommenden Menschen zu helfen, oder (auch) an eine Nothilfeorganisation, die erfahren ist in humanitärer Hilfe in Kriegs- und Krisenregionen.
Nicht eindeutig geklärt ist, ob ein gemeinnütziger Verein für solche Mittelweitergaben selbst einen Spendenaufruf starten oder nur vorhandene Mittel weitergeben darf. Auch dazu schaffen die Nothilfe-Erlasse meist eine Erleichterung.
Was ausgeschlossen ist
Geld für Waffen sammeln, Paramilitärs mit “tactical clothes” ausstatten oder ähnliches. Die konkreten Tätigkeiten müssen sich auf gemeinnützige Zwecke richten (Krieg führen gehört nicht dazu) und sich im Rahmen der allgemeinen Gesetze bewegen.
Die Weitergabe von Geld an ausländische Organisationen ist möglich, aber kompliziert. Solche Transfers können über das Transnational-Giving-Programm abgewickelt werden:
Praxistipp
Wegen Gemeinnützigkeit ist es am einfachsten, neue Aktivitäten unter dem Dach einer bestehenden Organisation mit passenden gemeinnützigen Zwecken abzuwickeln. Diese Organisationen haben oft das passende Wissen, sowohl zu Buchhaltung und Spendenbescheinigungen also auch etwa zu Logistik oder Bedarfsermittlung. Manche Organisationen sind in ihren Entscheidungen langsam – es gibt jedoch eine große Vielfalt an Vereinen und Stiftungen, die angesprochen werden können; von der großen Organisation bis zur örtlichen Solidaritätsgruppe.
Lehre fürs Gemeinnützigkeitsrecht
Stets erst auf einen Nothilfe-Erlass zu warten, ist nicht gut. Der Deutsche Fundraisingverband (DFRV) fordert daher in einer aktuellen Pressemitteilung eine “einfachere Regelung für Spenden im Not- und Katastrophenfall”. Der Verband fordert, das Gemeinnützigkeitsrecht zu aktualisieren und zu vereinfachen: “Eine Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts sollte die Kraft und die Solidarität der Zivilgesellschaft unterstützen und bürokratische Barrieren für Organisationen und Helfer*innen abbauen.” Dazu würden auch neue Zwecke wie Not- und Katastrophenhilfe sowie die Arbeit für Menschenrechte und Frieden gehören.
Aus unserer Sicht gehört dazu auch eine Klausel, die den Ausschließlichkeitsgrundsatz mindestens für gelegentliches Engagement für andere gemeinnützige Zwecke leicht aufbricht.
Nachtrag: Katastrophenhilfe-Erlass vom 17.3.2022
Am 17. März 2022 hat das Bundesfinanzministerium den erwarteten Erlass “Steuerliche Maßnahmen zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten” veröffentlicht. Die Erleichterungen für gemeinnützige Organisationen gelten rückwirkend zum 24. Februar, dem Tag des Beginns der russischen Invasion, zunächst bis Ende des Jahres. Der Erlass erlaubt unter anderem, dass steuerbegünstigte Körperschaften jenseits ihrer Satzungszwecke Geld zur Unterstützung von Kriegsopfern und Geflohenen sammeln und dafür verwenden sowie dass vorhandene, nicht zweckgebundene Mittel dafür verwendet werden. Hier geht es um mildtätiges Handeln; zugleich wird auf den sonst üblichen einen Nachweis der persönlichen Bedürftigkeit der Hilfeempfänger:innen verzichtet. In Spendenbescheinigungen muss auf die Sonderaktion hingewiesen werden. Auch Ressourcen wie Personal oder Räume können für die Unterstützung verwendet werden, ohne dass dies als Mittelfehlverwendung gilt.
Damit wird der Ausschließlichkeitsgrundsatz gelockert (was wir auch über die aktuelle Krise hinaus generell fordern). Üblicherweise dürfen gemeinnützige Organisationen nur ihre eigenen Satzungszwecke verfolgen. Die eigene Tätigkeit für andere gemeinnützige Zwecke ist sowenig erlaubt wie für nicht gemeinnützige Zwecke. Dagegen ist es steuerrechtlich stets möglich, Geld an andere gemeinnützige Organisationen auch für andere Zwecke weiterzugeben.
Bei der Hilfe für Kriegsopfer und Geflohene gibt es passende gemeinnützige Zwecke. Rund um die Corona-Hilfe fehlen solche Zwecke zum Teil.