Mit dem Jahressteuergesetz 2020 kommen zahlreiche Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht. Der Bundestag hat das Gesetz am 16.12.2020 beschlossen, der Bundesrat hat am 18.12.2020 zugestimmt. Die Änderungen der Abgabenordnung, wie z.B. das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung, gelten seit dem 28.12.2020 (Tag der Verkündung). Änderungen wie die Anhebung der Übungsleiterpauschale gelten seit dem 1.1.2021.
Die Änderungen bringen viele Erleichterungen und Verbesserungen, aber lösen noch lange nicht alle Probleme. Auf der Positivseite stehen unter anderem fünfeinhalb neue Zwecke, darunter Klimaschutz und die Hilfe gegen Diskriminierung wegen geschlechtlicher Orientierung/Identität. Es fehlen weitere neue Zwecke wie Förderung der Menschenrechte. Es fehlt auch eine gesetzliche Klarstellung zur politischen Betätigung für gemeinnützige Zwecke. Die Fraktion von CDU/CSU war der Meinung, die Klarstellung sei unnötig, weil solche Tätigkeiten problemlos möglich seien. Die Praxis jedoch zeigt große Verunsicherung und auch Beschränkungen durch Finanzämter.
Hier eine Übersicht der Änderungen und der noch ausstehenden Änderungen. Diese Übersicht stellt keine rechtliche Beratung dar.
Inhaltsverzeichnis
Das ändert sich im Gemeinnützigkeitsrecht
Neue gemeinnützige Zwecke
Es gibt fünfeinhalb neue Zwecke: Klimaschutz, Hilfe gegen Diskriminierung wegen geschlechtlicher Orientierung oder geschlechtlicher Identität, Freifunk, Ortsverschönerung, Pflege von Friedhöfen oder Denkmälern für totgeborene Kinder und Hilfe für rassistisch (statt rassisch) Verfolgter.
Klimaschutz
Klimaschutz wird als gemeinnütziger Zweck ausdrücklich in die Abgabenordnung aufgenommen. Die Ziffer 8 in § 52 wird dann lauten:
“Förderung des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes und der Naturschutzgesetze der Länder, des Umweltschutzes einschließlich des Klimaschutzes, des Küstenschutzes und des Hochwasserschutzes”
Damit soll der Klimaschutz ausdrücklich gesetzlich hervorgehoben werden, auch da er “zwar bereits mit Hilfe anderer Zwecke, wie z. B. Umwelt- und Naturschutz überwiegend, aber möglicherweise nicht gänzlich abgedeckt werden kann”. Begründet wird die Aufnahme auch mit der “gesellschaftlichen Anerkennung der Mitwirkung ehrenamtlich engagierter Bürgerinnen und Bürger” und mit den “gegenwärtigen zentralen umwelt- und gesellschaftspolitischen Herausforderungen”.
“Rassisch” wird aus der Abgabenordnung gestrichen
In Ziffer 10 des § 52 wird der Begriff “rassisch” durch “rassistisch” ersetzt. Ein gemeinnütziger Zweck wird dadurch “Förderung der Hilfe für politisch, rassistisch oder religiös Verfolgte”. Damit soll eindeutig gemeinnützig auch sein, Rassismus als gesellschaftliches Problem zu bekämpfen, so die Begründung des Antrags. Darin heißt es auch: “Menschen sind Menschen. ‘Rassen’ gibt es nicht. Trotzdem ist ‘Rassismus’ auch in Deutschland gegenwärtig.”
(Für weitere Änderungen am Gemeinnützigkeitsrecht, um das Engagement gegen Rassismus und für Vielfalt abzusichern, können Sie hier unterschreiben.)
Rechte Homosexueller und weiterer Geschlechter werden verankert
Die Ziffer 10 in § 52 lautet künftig:
“Förderung der Hilfe für politisch, rassistisch oder religiös Verfolgte, für Flüchtlinge, Vertriebene, Aussiedler, Spätaussiedler, Kriegsopfer, Kriegshinterbliebene, Kriegsbeschädigte und Kriegsgefangene, Zivilbeschädigte und Behinderte sowie Hilfe für Opfer von Straftaten; Förderung des Andenkens an Verfolgte, Kriegs- und Katastrophenopfer; Förderung des Suchdienstes für Vermisste; Förderung der Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden“
Der Bundestag erkennt damit an, dass “der Schutz von Personen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden, … in den bestehenden Katalogzwecken nicht ausreichend zum Ausdruck” komme. Die “Präzisierung” soll “zu einer Vereinfachung im Verwaltungsvollzug” führen und “eine moderne gesellschaftliche Entwicklung begleiten”. Die Formulierung ist kompliziert, bietet dennoch eine gute Grundlage nicht nur für Beratung und Aufklärung, sondern auch für Empowerment und Forderungen an den Gesetzgeber. Auch an diesem Zweck wird deutlich, dass gemeinnütziges Handeln oft politisch ist, dass die gesetzlichen Zwecke für sich schon politisch sind.
Die Allianz fordert als passenderen Zweck u.a. “Gleichstellung aller Geschlechter” sowie Förderung der Menschenrechte – die Diskriminierung auch aufgrund sexueller Orientierung oder des Geschlechts verstößt gegen die Grund- und Menschenrechte.
Freifunk
Wie sehr die Abgabenordnung der Realität hinterher hinkt, zeigt sich am Zweck “Freifunk”. Schon lange stellen zivilgesellschaftliche Gruppen selbstlos und zur Förderung der Allgemeinheit öffentlich zugängliches Internet per Wifi zur Verfügung, auch in Einrichtungen wie Jugendclubs, Gemeindehäusern oder Notunterkünften. Die Aufnahme des neuen Zwecks war nach der Bundestagswahl im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Ziffer 23 in § 52 erhält diese Fassung:
Förderung der Tierzucht, der Pflanzenzucht, der Kleingärtnerei, des traditionellen Brauchtums einschließlich des Karnevals, der Fastnacht und des Faschings, der Soldaten- und Reservistenbetreuung, des Amateurfunkens, des Freifunks, des Modellflugs und des Hundesports;
Und zur Sicherheit wird im Antrag erklärt: “Unter dem sogenannten ‘Freifunk’ werden nichtkommerzielle Initiativen eingeordnet, die sich der Förderung der lokalen Kommunikation sowie der technischen Bildung, dem Aufbau und Betrieb eines lokalen freien Funknetzes widmen.” Wohl damit nicht doch Mitgliedsbeiträge verdeckte Entgelte sind, wurde der Zweck in Ziffer 23 aufgenommen – dadurch sind gemäß §10b Abs. 1 Ziffer 4 Einkommenssteuergesetz keine Mitgliedsbeiträge, wohl aber Spenden steuerlich beegünstigt.
Ortsverschönerung
Ziffer 22 in § 52 wird künftig lauten: “Förderung der Heimatpflege und Heimatkunde und der Ortsverschönerung“
Auch dieser Zweck kann mit politischen Mitteln verfolgt werden, wenn sich etwa ein Verein zum Schutz des Ortsbildes gegen geplante Bauprojekte wendet, oder wenn er von der Stadtverwaltung Aktivitäten einfordert. Es wird sich zeigen, ob unter dem Zweck Aktivitäten von Stadteil-Gruppen oder ähnlichen künftig gut erfasst sein können.
Friedhofspflege und Sternenkinder
Eine neue Ziffer 26 in § 52 wird lauten:
“Förderung der Unterhaltung und Pflege von Friedhöfen und die Förderung der Unterhaltung von Gedenkstätten für nichtbestattungspflichtige Kinder und Föten”
Hinweis zu Satzungsänderungen
Die neuen Zwecke stehen ab Inkrafttreten des Gesetzes zur Verfügung, aber kein Verein sollte vorschnell seine Satzung ändern und Zwecke ersetzen. Ergänzungen können hilfreich sein, brauchen aber auch passende Beschreibungen zur Zweckverwirklichung. Wie die Finanzämter die Zwecke auslegen, ist noch offen. Vor einer Satzungsänderung durch Mitglieder-Beschluss sollte immer das Finanzamt gefragt werden, was es von den Änderungen hält. Nach einer Änderung muss die Satzung vom Finanzamt neu als gemeinnützig anerkannt werden (§ 60a Abgabenordnung). Als wirksam gelten Änderungen ab der Eintragung im Vereinsregister.
Vereinfachte Mittelweitergabe zwischen Gemeinnützigen
Durch eine Neufassung der Ziffer 1 in § 58 der Abgabenordnung und eine Zusammenlegung mit Ziffer 2 sowie einen neuen § 58a wird die Weitergabe von Geldern zwischen gemeinnützigen Organisationen vereinfacht und für die gebende Organisation sicherer. Es soll keine Beschränkung in der Höhe mehr geben – bisher wurde unterschieden zwischen Organisationen, die Gelder für andere beschaffen (Fördervereine) und anderen, die nur teilweise Geldern weitergeben.
Mittelweitergabe ist etwas anderes als Spenden. Spender*innen können für ihren Steuervorteil auf die Zuwendungsbescheinigung vertrauen. Künftig können weitergebende Organisationen ebenfalls auf die Gemeinnützigkeit der empfangenden Organisation vertrauen, wenn die ihre bestehende Gemeinnützigkeit etwa durch einen aktuellen Steuerbescheid nachgewiesen hat. Wird der empfangenden Organisation später die Gemeinnützigkeit aberkannt, hat das keine Folgen für die gebende Organisation. Dieser Vertrauensschutz ist bisher nicht klar geregelt, künftig im neuen Paragraphen 58a. Diese Regelung gilt auch für die Überlassung anderer Ressourcen wie Personal oder Räume. Zugleich regelt er aber auch, dass ebenfalls dafür im Zweifel die Gemeinnützigkeit nachgewiesen werden muss. Nutzt ein nicht gemeinnütziger Verein kostenlos Räume eines gemeinnützigen Vereins, kann das die Gemeinnützigkeit kosten. Allerdings können auch nicht gemeinnützige Gruppen wie Menschen gemeinnützige Ziele verfolgen. Das muss die überlassende Organisation dann aber dokumentieren.
Auch bisher konnte etwa ein Gesangsverein Geld an einen Umweltschutzverein weitergeben – das wird nun besser abgesichert. Doch selbst für den Umweltschutz tätig werden dürfte der Gesangsverein nicht, weil er ausschließlich seine eigenen gemeinnützigen Zwecke verfolgen muss. Hier hätten wir uns eine analoge Lockerung gewünscht.
Kein Anerkennungsbescheid bei nicht-gemeinnütziger Tätigkeit
Die Anerkennung der Satzung nach § 60a der Abgabenordnung setzt bisher nur eine formal korrekte Satzung voraus. Künftig soll diese Anerkennung verweigert werden können, wenn “zum Zeitpunkt des Erlasses des erstmaligen Körperschaftsteuerbescheids oder Freistellungsbescheids bereits Erkenntnisse vor(liegen), dass die tatsächliche Geschäftsführung gegen die satzungsmäßigen Voraussetzungen verstößt”.
Erst in der zweiten Jahreshälfte 2020 urteilte ein Gericht im Fall des rechtsextremistischen “Instituts für Staatspolitik”, dass die Anerkennung der Satzung nicht wegen Erkenntnissen über Fehler in der Geschäftsführung abgelehnt werden kann.
Der neue Absatz 6 lautet:
“Liegen bis zum Zeitpunkt des Erlasses des erstmaligen Körperschaftsteuerbescheids oder Freistellungsbescheids bereits Erkenntnisse vor, dass die tatsächliche Geschäftsführung gegen die satzungsmäßigen Voraussetzungen verstößt, ist die Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 abzulehnen. Satz 1 gilt entsprechend für die Aufhebung bestehender Feststellungen nach § 60a.”
Keine Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung für kleine Vereine
Im Prinzip müssen gemeinnützige Organisationen jeden eingenommenen Euro spätestens im übernächsten Jahr ausgegeben haben. Diese Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung wird für kleine Organisationen (“jährliche Einnahmen bis 45.000 Euro”) in § 55 der Abgabenordnung aufgehoben werden. Damit würde auch ein Nachweis von Rücklagen solcher Vereine mit geringen Umsätzen entfallen.
Gemeinnützigkeitsregister
Weitere Änderungen in mehreren Gesetzen schaffen die Voraussetzung für ein öffentlich zugängliches Gemeinnützigkeitsregister, im Gesetz “Zuwendungsempfängerregister” genannt. Dazu wird ein neuer § 60b in der Abgabenordnung eingefügt. Weitere Änderungen werden im Finanzverwaltungsgesetz und in der Einkommenssteuer-Durchführungsverordnung vorgenommen. Gültig werden sollen die Regelungen erst zum 1. Januar 2024, da das Register erst aufgebaut werden muss.
Bisher ist nirgendwo nachzulesen, ob ein Verein als gemeinnützig anerkannt ist oder nicht. Nicht jeder Verein teilt das mit. Und Finanzämter dürfen darüber bisher nicht Auskunft geben, weil der Status unter das Steuergeheimnis fällt. Auch Finanzämter können nicht wissen, ob ein in der Steuererklärung angegebener Verein aus einem anderen Ort als gemeinnützig anerkannt ist oder nicht, wenn keine Spendenbescheinigung verlangt wird.
Im öffentlich zugänglichen Register soll u.a. stehen:
- Name und Anschrift der Körperschaft,
- steuerbegünstigte Zwecke der Körperschaft,
- zuständiges Finanzamt,
- Datum der Erteilung des letzten Freistellungsbescheides oder Feststellungsbescheides nach § 60a,
- Bankverbindung der Körperschaft,
- Erwähnungen im Verfassungsschutzbericht.
In Absatz 4 des neuen §60b der Abgabenordnung wird dazu das Steuergeheimnis aufgehoben, zur Mitteilung allerdings nur das Bundeszentralamt für Steuern ermächtigt, nicht einzelne Finanzämter.
Im “Zuwendungsempfängerregister” erfasst werden sollen auch Parteien und kommunale Wählergemeinschaften, da Spenden und Beiträge an diese ebenfalls steuerbegünstigt sind. Nicht vorgesehen ist die Aufnahme von Berufsverbänden, bei denen Mitgliedsbeiträge steuerbegünstigt sind.
Aufgenommen werden sollen Vereine und Stiftungen aus der EU, wenn geprüft wurde, dass ihre Arbeit deutschen Gemeinnützigkeits-Regeln entspricht. Das würde das transnationale Spenden sehr vereinfachen.
Nicht vorgesehen ist, dass Kennzahlen zur Finanzierung und zur Mittelverwendung angegeben werden. Das Register ist also ein Schritt Richtung Transparenz, aber kommt vielen Anforderungen noch nicht nach. Motiv der Finanzverwaltung für das Register war auch weniger die Herstellung von Transparenz als die Vereinfachung von Verwaltungsabläufen und dazu die Digitalisierung von Spendenbescheinigungen. Künftig sollen die nicht mehr von gemeinnützigen Vereinen ausgestellt und von den Spender*innen eingereicht werden, sondern die Vereine sollen empfangene Spenden digital an die Finanzverwaltung melden. Ein Baustein dafür ist das Register. Die Publizität ist ein Nebeneffekt.
Die Digitalisierung von Spendenbescheinigungen wäre für viele gemeinnützige Organisationen höchst herausfordernd. Mit den neuen Regelungen soll das aber nicht einfach eingeführt werden, sondern es sollen Voraussetzungen geschaffen werden, damit daran ernsthaft gearbeitet werden kann.
Das Gemeinnützigkeits- oder Zuwendungsempfängerregister wäre das vierte oder fünfte Register in dem Bereich neben:
- Vereinsregister der Amtsgerichte, das zum Teil digital zugänglich ist, stellt digital nur manchmal Satzungen bereit und gibt keine Auskunft über den Steuerstatus.
- Geplantem Stiftungsregister, das parallel zum Vereinsregister bei einer Bundesbehörde geführt werden soll
- Geplantem Lobbyregister, im dem einige Stiftungen und Vereine sein werden
- Transparenzregister (Geldwäsche), das ebenfalls einige gemeinnützige Organisationen erfasst
Das Gemeinnützigkeitsregister wäre für nicht eingetragene Vereine, die gemeinnützig sind, die erste öffentliche Registrierung.
Weitere Änderungen
…die für unsere Forderungen und die meisten Mitgliedsorganisationen wenig relevant sind:
- Spendenbescheinigungen erst ab 300 (statt bisher 200 Euro) nötig (Änderung § 50 der Einkommenssteuerdurchführungsverordnung) (gilt ab 2021)
- Anhebung der Ehrenamtspauschale um 120 Euro auf 840 Euro, der Übungsleiterpauschale von 2.400 auf 3.000 Euro im Jahr (gilt ab 2021)
- Anhebung der Freigrenzen für Wirtschaftsbetriebe bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer von 35.000 Euro auf 45.000 Euro
- Klarstellung, dass “Einrichtungen zur Unterbringung, Versorgung, Verpflegung und Betreuung von Bürgerkriegsflüchtlingen oder Asylbewerbern” als Zweckbetrieb vom Wohlfahrtsbegriff umfasst sind, sowie Erweiterung der Zweckbetriebseigenschaft um die “Fürsorge für psychische und seelische Erkrankungen” (Änderung § 68 der Abgabenordnung)
- Erleichterung von Kooperationen unter Gemeinnützigen (Änderung § 57 Abgabenordnung)
Was fehlt
Es fehlen weitere dringend nötige Zwecke wie die Förderung der Grund- und Menschenrechte oder der sozialen Gerechtigkeit.
Es fehlen nötige Klarstellungen zum vorhandenen Zweck “Förderung des demokratischen Staatswesens” und zur politischen Bildung. Durch das Attac-Urteil ist hier große Unklarheit entstanden.
Nicht angefasst wird die in § 51 der Abgabenordnung festgelegte Beweislastumkehr.
Klarstellung zu politischen Tätigkeiten
Die Mehrheit der Länderfinanzminister*innen hatte vorgeschlagen, diese neue Ziffer 11 in § 58 der Abgabenordnung zu prüfen und aufzunehmen:
“(Die Steuervergünstigung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass) eine steuerbegünstigte Körperschaft bei der Verfolgung ihrer steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke politisch tätig wird, wenn ihre steuerbegünstigte Tätigkeit mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist.”
Wir haben das nicht für die beste Formulierung gehalten, aber für eine Verbesserung des Status quo. Damit wäre abgesichert worden, dass etwa ein Verein zur Förderung von Radwegen mit dem gemeinnützigen Zweck “Umweltschutz” auch nur mit politischen Forderungen sein Ziel verfolgt. Gleiches würde gelten für einen Verein zur Gleichberechtigung der Geschlechter.
Möglich werden sollte mit der Änderung laut Begründung auch ein “Aufruf eines Sportvereins gegen Rassismus anlässlich von Vorkommnissen bei einem Fußballspiel” oder “wenn Karnevals- oder Sportvereine sich für Frieden oder gegen Rassismus engagieren und zu Friedens- oder Antirassismus-Demonstrationen aufrufen”.
Der Vorschlag fand im Bundesrat keine Mehrheit. Dennoch hat die SPD-Bundestagsfraktion ihn in die Verhandlungen eingebracht, stieß aber auf den Widerstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die Union erklärte schließlich, dass eine gesetzliche Neuregelung der politischen Betätigung im Gemeinnützigkeitsrecht unnötig sei, da die Rechtslage nach ihrer Auffassung klar sei. Eine gemeinnützige Körperschaft könne sich politisch betätigen, wenn der gemeinnützige Zweck damit verfolgt werde.
Finanzämter sehen das immer wieder anders. Vereine und Stiftungen schrecken vor politischen Stellungnahmen zurück, weil sie ihre Kerntätigkeit schützen wollen. Andere Initiativen verzichten aus Sorge um Rechtsstreitigkeiten auf den Status der Gemeinnützigkeit. Eine gesetzliche Regelung hätte Klarheit und Rechtssicherheit geschaffen. Im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) stehen zu dem Thema verwirrende, widersprüchliche und veraltete Aussagen.
Ausstiegsregel aus der Gemeinnützigkeit
Vom Bundesrat vorgeschlagen war eine Ausstiegsregelung für gemeinnützige Vereine. Der Bundestag hat diesen Vorschlag nicht übernommen. Gemeinnützige Vereine und Stiftungen, die gezielt aus der Gemeinnützigkeit aussteigen, hätten die Wahl gehabt,
- wie in der Satzung vorgesehen das gesamte Vermögen an eine dort genannte gemeinnützige Körperschaft abzuführen oder
- 30 Prozent des Vermögens als einmalige Körperschaftssteuer zu zahlen.
Damit wäre der Ausstieg kalkulierbar geworden. Alle vorherigen Vorteile sollten durch die Abgeltung nicht angetastet werden – es wäre rückwirkend keine Erbschaftssteuer und keine erhöhte Umsatzsteuer für einen Zweckbetrieb fällig geworden, Spenden müssten nicht nachversteuert werden.
Diese einmalige Abgeltung sollte möglich sein, wenn durch eine Satzungsänderung die Vermögensbindung aufgegeben wird oder “wenn die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft gegen den Grundsatz der Vermögensbindung verstößt”, also wohl auch im Fall einer Aberkennung der Gemeinnützigkeit. Jetzt gilt, dass in so einem Fall die Satzung “von Anfang an als steuerlich nicht ausreichend” gilt. (Details siehe hier.)
Angesichts der Lücken im Gemeinnützigkeitsrecht finden sich Organisationen immer wieder falsch im Status der Gemeinnützigkeit, kommen dort aber nicht heraus. Eine Ausstiegsregel hätte einen Wechsel ermöglicht – wenn auch besser wäre, die Zwecke anzupassen.
Die Lücken im Gemeinnützigkeitsrecht abschwächen würde auch ein abgestuftes Sanktionssystem. Kommt jetzt ein Finanzamt zum Schluss, dass ein Verein nicht ausschließlich seine Zwecke verfolgt oder angeblich die Mittel zu politisch sind, bleiben zwischen aktivem Wegschauen und der Aberkennung der Gemeinnützigkeit für mindestens ein Jahr rückwirkend kaum andere Möglichkeiten.
Was kostet das Ganze?
Fast nichts. Auf jeden Fall scheint es mehr zu sparen als zu kosten, so der Haushaltsausschuss des Bundestages in seiner Stellungnahme:
Im Zuge der parlamentarischen Beratungen wurden Regelungen zum Gemeinnützigkeitsrecht aufgenommen … Durch die Maßnahmen vermindert sich der Zeitaufwand bei den Bürgerinnen und Bürgern zukünftig jährlich um 20.000 Stunden und Sachaufwendungen in Höhe von 60.000 Euro jährlich können eingespart werden. Bei der Wirtschaft, zu denen [sic!] auch die 600.000 gemeinnützigen Organisationen gehören, vermindern sich die jährlichen Bürokratiekosten um rund 55,7 Millionen Euro. Es entsteht ein einmaliger Aufwand von rund 1,7 Millionen Euro. Für die Verwaltung mindern sich die jährlichen Kosten um rund 2,6 Millionen Euro. Es entsteht ein einmaliger Erfüllungsaufwand von rund 7,2 Millionen Euro.
Darüber, dass Vereine zur Wirtschaft gehören, reden wir noch. Auch über die Zahl 600.000 – die wird als Zahl der Vereine angenommen, aber wie viele davon gemeinnützig sind, weiß niemand. Entscheidend ist: Neue Zwecke kosten nichts. Es geht im Gemeinnützigkeitsrecht weniger um Steuern als um Gesellschaft. Es hängt nicht am Geld, sondern am politischen Willen.