Die Corona-Pandemie ist und bleibt die große Herausforderung, der sich 2020 alle stellen mussten. Als es im Frühjahr 2020 zum ersten Lockdown kam, mussten wir als Allianz “Rechtssicherheit für politische Willensbildung” feststellen, dass die Vielfalt der Zivilgesellschaft – und ihre vielfältige Arbeitsweise – bei den Beschlüssen von Regierung und Bundestag wenig Berücksichtigung gefunden hatte. Das liegt zum Teil sicher auch an der fehlenden Lobby insbesondere der politisch aktiven Zivilgesellschaft.
In unserer Allianz “Rechtssicherheit für politische Willensbildung” sind viele betroffene Organisationen versammelt und so haben wir es als unsere Aufgabe gesehen, unsere Stimme und unsere Netzwerke zu nutzen, um die Situation zu verbessern: Wir haben Übersichten über staatliche Corona-Hilfen mit konkretem Bezug zu unseren Mitgliedern zusammengestellt und auf rechtliche Neuerungen hingewiesen. Wir haben dazu beigetragen, dass sich die Organisationen untereinander stärker vernetzen, haben an Studien zur Auswirkung der Corona-Pandemie auf den zivilgesellschaftlichen Sektor mitgewirkt und damit einen Beitrag dazu geleistet, dass der Subsektor der politisch aktiven Organisationen in der gesellschaftlichen und politischen Debatte Gehör findet.
Im Januar 2020 war Allianz-Vorstand Stefan Diefenbach-Trommer als Sachverständiger bei der öffentlichen Anhörung des Bundestags-Unterausschusses “Bürgerschaftliches Engagement” und hat dort für eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts geworben. Damals hieß es noch, das Bundesfinanzministerium arbeite an einem entsprechenden Gesetzentwurf. Im September 2020 lag dieser noch nicht vor, stattdessen forderten die Landesfinanzminister*innen im Rahmen ihrer Beratungen zum Jahressteuergesetz Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht. Als Allianz haben wir schnell reagiert und in der Regierung und im Bundestag für eine Mehrheit für die vorgeschlagenen Änderungen geworben.
Die folgenden Wochen und Monate waren ein Tauziehen verschiedener politischer Positionen im Bund. Auf der einen Seite diejenigen, die eine moderne Zivilgesellschaft stärken wollen und den vielen gemeinnützigen Organisationen Rechtssicherheit bieten wollen. Auf der anderen Seite diejenigen, die an altem festhalten und die Probleme der Zivilgesellschaft nicht sehen (wollen). Gewonnen haben am Ende beide Seiten ein wenig: auf der einen Seite gibt es nun neue Zwecke, die moderne gesellschaftliche Realitäten abbilden. Auf der anderen Seite gibt es immer noch keine Klarstellung zur politischen Betätigung gemeinnütziger Organisationen.
Wir haben hier die im Jahressteuergesetz 2020 beschlossenen Maßnahmen aufgelistet. Wie sich diese in der Praxis umsetzen, wird sich in den kommenden Wochen und Monaten zeigen.
Was sonst noch geschah
- Februar 2020: Das Finanzgericht Hessen verhandelt erneut über die Gemeinnützigkeit von Attac.
- März 2020:
- Dem Vernehmen nach einigen sich die Finanzministerien von Bund und Ländern auf einen Nichtanwendungserlass, um die befürchteten hunderten Aberkennungen der Gemeinnützigkeit in Folge des Attac-Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) zunächst zu vermeiden. Dieser Erlass stellt sich später als Mythos heraus. Neue Aberkennungen gab es dennoch 2020 wenige.
- Der Bundestag berät über die Streichung der Beweislastumkehr im Gemeinnützigkeitsrecht. Anlass war ein Antrag der Partei Die Linke mit Bezug auf die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA).
- Das Finanzministerium erklärt in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage: “Politisches Engagement und Gemeinnützigkeit schließen sich nicht aus.”
- Mai 2020: Ein von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten (vorgelegt von Prof. Dr. Unger) bestätigt große Spielräume für politische Betätigung gemeinnütziger Organisationen.
- Juni 2020: Die Initiative Transparente Zivilgesellschaft (ITZ) ist auch für nicht-gemeinnützige Organisationen offen. Damit schließt der Trägerkreis der ITZ eine bis dahin bestehende Lücke. Nun können sich auch Initiativen und Vereine der freiwilligen Selbstverpflichtung anschließen, die wegen Lücken im Gemeinnützigkeitsrecht nicht gemeinnützig sein können. Die ITZ stellt einen gemeinsamen Standard zu mehr Transparenz in der Zivilgesellschaft dar.
- Juli 2020: Stefan Diefenbach-Trommer erhält das “Marburger Leuchtfeuer 2020” für seine Arbeit als Vorstand der Allianz “Rechtssicherheit für politische Willensbildung”. Damit würdigen die Stadt Marburg und die Humanistische Union insbesondere “sein Engagement für die finanzielle Unabhängigkeit politisch aktiver Organisationen”.
- September 2020: Das Team der Allianz “Rechtssicherheit für politische Willensbildung” vergrößert sich um eine weitere Vollzeitstelle. Um den nun vier Mitarbeiter*innen corona-gerechtes Arbeiten zu ermöglichen, zieht die Allianz in größere Büroräume.
- Oktober 2020: Eine Studie der Maecenata-Stiftung zeigt: Zivilgesellschaftliche Organisationen mit den Funktionen Themenanwaltschaft, Wächter*innen und Mitgestaltung sind von der Corona-Krise spezifisch getroffen. Diese Organisationen, zu denen die meisten Allianz-Mitglieder gehören, stünden vor einer unsicheren Finanzierungslage. Viele von ihnen haben bisher bewusst auf staatliche Fördermittel verzichtet und werden deshalb bei Hilfsmaßnahmen übersehen. Gleichzeitig haben sie in der Krise ihre hohe Bedeutung erneut bewiesen, etwa indem sie auf übersehene Gruppen hinwiesen oder die Maßnahmen des Staates kritisch begleiteten.
Am Ende des Jahres 2020 gehörten 182 Organisationen der Allianz an.
Infos zu Einnahmen, Ausgaben und weitere Transparenz-Daten
…auf unserer Transparenzseite. Für das Jahr 2020 hier.
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