Pressestatement der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V. zur Antwort der Bundesregierung auf die 551 Fragen von CDU/CSU
- Antworten sind Lehrstück in Rechtsstaatlichkeit für CDU/CSU
- Deutschland ist kein NGO-Überwachungsstaat
- Union sollte statt emotional auszuteilen über Demokratiepolitik sprechen
Zu den bekannt gewordenen Antworten der Bundesregierung auf die 551 Fragen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu zivilgesellschaftlichen Organisationen erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, einem Zusammenschluss von mehr als 200 Vereinen und Stiftungen:
„Die Antwort der Bundesregierung ist ein Statement für einen demokratischen, liberalen und demokratischen Rechtsstaat. Die Regierung weist in der Vorbemerkung der Antwort darauf hin, dass es nicht ihre Aufgabe sei ‚allgemeine Informationen über die Aktivitäten und Kontakte von Organisationen zu sammeln, zu überwachen oder zu bewerten‚. Sie verweist dabei sowohl auf das für sie selbst geltende parteipolitischen Neutralitätsgebot hin (Antwort auf Frage 31) als auch darauf, dass selbstverständlich auch gemeinnützige Organisationen Trägerinnen von Grundrechten sind wie der Versammlungsfreiheit. Sie erinnert zudem daran, dass politische Mittel laut Urteilen des Bundesfinanzhofes (BFH) erlaubt sind.
Insofern sind die Fragen und Antworten ein Lehrstück in Rechtsstaatlichkeit für CDU und CSU. Die von ihnen gewünschten Antworten könnte es nur geben, wenn die Bundesrepublik ein Überwachungsstaat bezüglich zivilgesellschaftlicher Organisationen wäre. Deutschland ist bereits im internationalen Civicus-Monitor zum Handlungsraum zivilgesellschaftlicher Organisationen von ‚offen‘ (open) auf ‚beeinträchtigt‘ (narrowed) abgerutscht. Die demokratischen Parteien möchten wohl kaum, dass Deutschland in den Kategorien ‚beschränkt‘ oder ‚unterdrückt‘ landet.
Wollen die Parteien CDU und CSU letztlich ein NGO-Gesetz, das staatliche Überwachung und Kontrolle vorsieht? Sollte so ein Gesetz dann ein Verbot enthalten, dass in Vereinsvorständen Parteimitglieder sitzen? Ein solches allgemeines Gesetz kann natürlich nicht der Ernst der Union sein. Was sollen dann diese Fragen – statt eines Dialogs mit den Vereinen?
Nach der lauten Kritik an ihrer Abstimmung mit der AfD und an Aussagen zu Asylrecht und Einwanderung scheinen CDU und CSU eingeschnappt emotional verletzt. In der Reaktion teilen sie aus – mit 551 und weiteren aggressiven Fragen. Damit richtet diese Parteien demokratischen Schaden an. Die künftige Regierungspartei sollte jedoch erwachsen handeln und angemessen überlegen, welche Rahmenbedingungen für zivilgesellschaftliches Engagement sinnvoll sind.
‚Wir wollen unsere Demokratie stärken und schützen‚, haben Union und SPD im Sondierungspapier notiert. Deshalb sollten sie über Demokratiepolitik reden. Das Gemeinnützigkeitsrecht wie auch eine liberale Fördermittelpolitik gehören ebenso dazu wie Änderungen am Wahlrecht oder Regeln zur Parteienförderung. Alle Parteien müssen erkennen, dass über Rechtsstaatlichkeit zu wachen und bei Verstößen zu mahnen Funktionen der Zivilgesellschaft sind – wie auch ungehörte Themen in die Debatte zu bringen oder konkrete Hilfsdienstleistungen zu erbringen.
Teil eines Koalitionsvertrags mit CDU und CSU sollte eine Strategie sein, wie Deutschland auch im Civicus-Monitor wieder als demokratischer Leuchtturm erscheint und die Rügen im EU-Rechtsstaatlichkeitsbericht zum Gemeinnützigkeitsrecht ausräumt.“
Eine Vielzahl von Vereinen und Stiftungen fühlt sich durch das unklare Gemeinnützigkeitsrecht in seiner Arbeit beschränkt. Mehr als 200 Vereine und Stiftungen haben sich in der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ zusammen geschlossen, um das Gemeinnützigkeitsrecht zu modernisieren und die selbstlose politische Einmischung etwa für Grundrechte und gemeinnützige Zwecke abzusichern. Zu den Mitgliedern gehören Foodwatch, Campact und Omas gegen Rechts ebenso wie Amnesty International, Brot für die Welt, der Bund der Steuerzahler und Terre des Hommes.
Weitere Infos: https://www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de
Hinweis zu den veröffentlichen Antworten
Bild hat die Antwort der Bundesregierung veröffentlicht, nachdem die Schwesterzeitung Welt davor noch geraunt hatte, es werde keine Antworten geben. Bild kommentiert die Antworten mit „Die Noch-Bundesregierung hat auf die 551 Fragen keine Antworten“ und „Was genau mit den von den Ministerien verteilten Geldern passiert, wie es eingesetzt wird und wer es überhaupt bekommt, bleibt weitestgehend offen“.
Mittlerweile ist die Antwort als Bundestagsdrucksache 20/15035 veröffentlicht, inklusive Tabelle. In der Tabelle zu Fördermitteln des Bundes werden anders als in kursierenden Grafiken behauptet keine Aussagen verweigert, sondern es wird etwa zu Omas gegen Rechts angegeben: „Keine Treffer bei Abfrage“
Weiterführende Infos
- Infos zum Civicus-Monitor
- Zur jüngsten Rüge des deutschen Gemeinnützigkeitsrechts durch die EU
- Unsere Stellungnahme vom 13. Februar 2025 zu ersten Neutralitäts-Forderungen aus der Union
- Zusammenstellungen von Reaktionen auf die 551 Fragen mit einem Hinweis auf eine Falschbehauptung des parlamentarischen Geschäftsführers Thorsten Frei zu den Fragen
- Infos zu Demokratiepolitik und Koaltionsverhandlungen
Weitere Pressemitteilungen der Allianz
- Sondierungspapier: Lücke bei Demokratiepolitik in Koalitionsverhandlungen schließen (10. März 2025)
- AG Demokratiepolitik für Koalitionsverhandlung (26. Februar 2025)
- Kritik an Politik muss keine Parteipolitik sein (13. Februar 2025)
- Bundestag verzichtet auf Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts (19. Dezember 2024)