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Kategorie: Politik

Einigkeit im Bundestag: Gemeinnützigkeitsrecht überprüfen

Der Bundestag hat uns ein Weihnachtsgeschenk gemacht: In einer Debatte über die Gemeinnützigkeit haben Sprecherinnen und Sprecher aller Fraktionen am vergangenen Donnerstagabend (15. Dezember 2016) angekündigt, das Gemeinnützigkeitsrecht und insbesondere den Zweck-Katalog überarbeiten zu wollen – auch die CDU/CSU, deren Finanzfachleute bisher noch nicht mit uns sprechen wollten. Die Vorschläge der Abgeordneten reichen von fraktionsübergreifender Verständigung über Debatte im Finanzausschuss bis Vertagung auf das Jahr 2018.

Mehrere Abgeordnete bekräftigten den wichtigen Beitrag des politischen Engagements in zivilgesellschaftlichen Organisationen für die Demokratie und thematisierten die unterschiedlichen Interpretationen der Finanzämter.

Donnerstag 15.12.2016, 18:25 Uhr: Bundestag debattiert Gemeinnützigkeit

Recht kurzfristig ist für kommenden Donnerstag (15. Dezember) nun im Bundestag die Debatte über die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Grünen zu Gemeinnützigkeit und politischer Willensbildung angesetzt. Die Debatte beginnt gegen 18:25 Uhr und soll 30 Minuten dauern. Sie ist auf der Bundestags-Website als Videostream zu verfolgen.

Nach dem Attac-Urteil am 10. November hatten unter anderem die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen Gesetzes-Änderungen gefordert, um Rechtssicherheit für Organisationen wie Attac zu schaffen. Die Fraktion von CDU/CSU hat sich dazu bisher nicht geäußert, wird es aber am Donnerstag tun müssen.

Reaktionen auf das Attac-Urteil

Die Verhandlung und Entscheidung hat viele Reaktionen ausgelöst – viele Presseberichte, aber auch Pressemitteilungen von Parteien und Organisationen sowie pointierte Zeitungs-Kommentare. SPD und Grüne fordern in Pressemitteilungen gesetzliche Klarstellungen und übernehmen damit Forderungen der Allianz. Politik-Redakteure fordern gesetzliche Änderungen. Nur aus Ministerien gibt es noch keine öffentlichen Reaktionen.

Bundesregierung ignoriert Regelungslücke

Noch einmal zur Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion zu Gemeinnützigkeit und politische Willensbildung: In der Regierung fehlen klare Zuständigkeiten zu diesem Engagement, deshalb kommt sie zu keinen oder unklaren Positionen.  Wenn die Regierung rumeiert, ist es Aufgabe des Parlaments, Klarheit zu fordern oder herzustellen. Dort muss die Debatte darüber stattfinden, welches bürgerschaftliche Engagement auf welche Weise gefördert oder geregelt werden soll. Das sollte nicht den Finanzämtern überlassen werden.

Diese Zusammenfassung gibt Stefan Diefenbach-Trommer für die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ im akutellen Newsletter des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE). Wegen der unklaren Positionen geglingt es der Regierung nicht zu begürnden, wo eine Trennlinie zwischen gemeinnützigen und politischen Organisationen verlaufen sollte. Sie trennt zu recht Parteien von gemeinnützigen Organisationen ab, denn Parteien und Wählergemeinschaften befinden sich im Wettbewerb um Stimmen. Sie ignoriert jedoch, dass ein Teil der „Vereinigungen bürgerschaftlichen Engagements“ aus dem Gemeinnützigkeitsrecht fallen, ohne sich im Wettbewerb mit Parteien zu befinden. Sie ignoriert, dass dadurch das Recht der Bürger auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung behindert sein könnte.

Bundesregierung: politische Tätigkeiten können gemeinnützig sein

Über die Aufnahme weiterer gemeinnütziger Zwecke „findet derzeit ein Meinungsaustausch innerhalb der Bundesregierung statt, der bisher nicht abgeschlossen ist“ und verfassungsrechtlich ist es nicht verboten, politische Tätigkeiten als gemeinnützig zu definieren – das schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der Bundestagsfraktion die Grünen zu „möglichen Gefährdungen des gleichberechtigten Einflusses aller Staatsbürgerinnen und Staatsbürger auf die politische Willensbildung und zu weiteren Punkten des Gemeinnützigkeits- und Vereinsrechts“. Die Grünen thematisierten darin die Probleme, die gemeinnützige Organisationen haben, die auf die Gesellschaft einwirken. (Mehr zu den Fragen hier.)

In großen Teilen ihrer Antwort bleibt die Regierung vage oder erklärt sich für nicht zuständig. Doch in den Antworten auf die 34 Fragen verstecken sich einige Hinweise. Dazu gehört, dass die Bundesregierung Notwendigkeiten aus Sicht der Verwaltung bewertet und dabei erklärt, dass es Gestaltungsspielraum gibt. Die Initiative dazu müsse aus dem Parlament kommen. Die Regierung spielt den Ball also ins politische Feld, wo er hin gehört, raus aus juristischen Strafräumen. Denn bei der Förderung gemeinnütziger Zwecke geht es um Wertentscheidungen.

Verdeckte Parteienfinanzierung braucht keine Gemeinnützigkeit

LobbyControl legt in einem Blog-Beitrag dar, wie die Partei AfD in den jüngsten Wahlkämpfe mit hohen Geldbeträgen unterstützt wurde und die Geldgeber dabei anonym bleiben konnten, obwohl das Parteiengesetz vorsieht, dass Spenden ab 10.000 Euro veröffentlicht werden. Der Trick: Es wird einfach unabhängig von der Partei, offiziell ohne deren Wissen, für ihre Wahl geworben.

Diese Darstellung zeigt, dass es Partei-Geldgebern nicht auf die steuerliche Absetzbarkeit ihrer Spende ankommt, ebenso anderen Akteuren, die mit hohen Geldbeträgen in ihrem eigenen Interesse auf politische Entscheidungen einwirken. Wieder einmal wird damit ein Argument gegen die Steuerbegünstigung selbstloser politisch tätiger Organisationen widerlegt.

Hessischer Landtag debattiert Gemeinnützigkeit

Der hessische Landtag debattierte am 14. Juli 2016 über Gemeinnützigkeit und politische Willensbildung. Ursprünglicher Anlass war ein Antrag der SPD-Fraktion „betreffend Definition der Gemeinnützigkeit“, mit dem die SPD die Umsetzung der zwei Hauptforderungen der Allianz fordert. Einen Tag vor der Debatte brachten die Koalitionsfraktionen CDU und Grüne einen eigenen Antrag ein mit dem Titel „Ehrenamtliches Engagement fördern – Gemeinnützigkeitsrecht hinsichtlich Anpassungsnotwendigkeit aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen überprüfen“ (Drucksache 19/3360). Beide Anträge wurden in den Haushaltsausschuss verwiesen, die Debatte wird weiter gehen. Die Debatte ist auf dem YouTube-Kanal des Landtags nachzuhören. Das Protokoll wird hier zu finden sein.

14.7.: Gemeinnützigkeits-Debatte im Hessischen Landtag

Am morgigen Donnerstag (14. Juli) debattiert der Hessische Landtag ca. 17:30 Uhr (aktualisiert 14.7.) über die Definition der Gemeinnützigkeit und nötigen Reformbedarf. Anlass ist ein bereits zwei Monate alter Antrag der SPD-Fraktion.

Die Debatte ist recht kurzfristig in der Tagesordnung hinaufgeklettert, offenbar, weil die Regierungsparteien CDU und Grüne nun zur Debatte bereit sind, indem sie einen eigenen Antrag vorgelegt haben: „Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und Bündnis 90/Die Grünen betreffend ehrenamtliches Engagement fördern – Gemeinnützigkeitsrecht hinsichtlich Anpassungsnotwendigkeit aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen überprüfen.“

Zuletzt hatten die beiden Regierungsparteien dazu einen Berichtsantrag gestellt, auf den das Finanzministerium antwortete: Kein Änderungsbedarf.  Ob die Parteien durch die Debatte und auch die Große Anfrage der Grünen im Bundestag hinzu gelernt haben?

SPD legt Gesetzentwurf zu Gemeinnützigkeit vor

Die SPD-Fraktion hat vergangene Woche im Hessischen Landtag einen Antrag eingebracht, mit dem unsere beiden Hauptforderungen umgesetzt würden, nämlich einerseits die Aufnahme zusätzlicher Zwecke wie Förderung der Menschenrechte, Durchsetzung der Grundrechte oder sozialer Gerechtigkeit, andererseits die Klarstellung, dass gemeinnützige Organisationen sich selbstverständlich auch politischer Mittel zur Verfolgung ihrer Zwecke bedienen können. Damit erkennt die SPD unsere Forderungen als richtig und notwendig an.

Der Antrag (Drucksache 19/3360) soll am 19. Mai im Landtag behandelt werden. Voraussichtlich wird er ohne Aussprache in den zuständigen Fachausschuss verwiesen. Anzunehmen ist, dass sich die SPD als Oppositionspartei damit im Hessischen Landtag nicht durchsetzen wird. Wir gehen davon aus, dass die SPD die Forderungen auch an anderer Stelle erhebt, etwa in den Ländern, in denen sie als Regierungspartei beteiligt ist oder in Gesprächen mit ihren Koalitionspartnern von CDU und CSU im Bundestag bzw. in der Bundesregierung.

Mit dem Antrag wird die Landesregierung aus CDU und Grünen aufgefordert, sich auf Bundesebene für die formulierte Gesetzesänderung einzusetzen sowie dafür, im Anwendungserlass zur Abgabenordnung diese Formulierung aufzunehmen: „Eine politische Tätigkeit ist danach unschädlich für die Gemeinnützigkeit, wenn eine gemeinnützige Tätigkeit mit einer politischen, aber nicht parteipolitischen Zielsetzung verbunden ist.“ Die Einschränkung zur parteipolitischen Tätigkeit findet sich bereits im Gesetz in §55, Absatz I, Ziffer 1, Satz 3.

(Siehe zu diesem Antrag auch: http://www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de/strachwitz-debatte-ueber-gemeinnuetzigkeitsrecht-muss-gefuehrt-werden/)

Bundestag: Große Anfrage zu Gemeinnützigkeit und politischer Willensbildung

Mit einer Großen Anfrage greift die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen unser Anliegen auf, Rechtssicherheit zu schaffen für gemeinnützige Organisationen, die sich selbstlos und zur Förderung der Allgemeinheit auch an der politischen Willens­bildung beteiligen. Im umfangreichen Fragenkatalog thematisieren die Grünen die Un­möglichkeit, gemeinnützige und politische Zwecke zu unterscheiden. Sie nehmen in den Fokus die Steuerbegünstigung für andere politische Akteure, die weder Parteien noch gemeinnützig sind. Dabei thematisieren sie auch die Intransparenz unter ande­ren von Mittelherkunft und -verwendung und fragen, ob Vereine wie Attac diskriminiert werden.

Die Anfrage zu „möglichen Gefährdungen des gleichberechtigten Einflusses aller Staatsbürgerinnen und Staatsbürger auf die politische Willensbildung und zu weiteren Punkten des Gemeinnützigkeits- und Vereinsrechts“ wird in diesen Tagen an die Bun­desregierung weitergeleitet, eine Vorabfassung ist hier verfügbar.
Aktualisierung 17. Mai 2016: Die Große Anfrage ist als Drucksache 18/8331 erfasst.

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