In den vergangenen Tagen ist einiger Lesestoff zu nötigen Reformen im Gemeinnützigkeitsrecht und zum Verhältnis von Staat und Zivilgesellschaft erschienen – teils im Zusammenhang mit der Corona-Krise, teils in ihrem Schatten. Die Krise macht deutlich, wie eingeschränkt der Blick des Staates auf diesen Sektor ist.
Schlagwort: Zivilgesellschaft
Pressestatement der Allianz “Rechtssicherheit für politische Willensbildung” e.V. zur heutigen Bundestags-Debatte über “Differenzierte Öffnungsstrategie für Wirtschaft und Gesellschaft” in der Corona-Krise
- Regierung und Parlament fehlt umfassender Blick auf zivilgesellschaftliche Organisationen
- Viele Vereine fallen in Lücke zwischen Gemeinnützigkeit und Wirtschaft
Zur heutigen Bundestagsdebatte über “Differenzierte Öffnungsstrategie für Wirtschaft und Gesellschaft” erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz “Rechtssicherheit für politische Willensbildung”, einem Zusammenschluss von mehr als 170 Vereinen und Stiftungen:
“Die heutige Debatte im Bundestag zeigt, dass weder Regierung noch Parlament einen umfassenden Blick auf zivilgesellschaftliche Organisationen haben. Damit würdigen sie deren Beitrag zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Zusammenhalt nicht ausreichend. Bei Corona-Hilfspaketen werden viele zivilgesellschaftliche Organisationen übersehen, die nicht in das Ressort- und Fördermittel-Raster passen.
Zivilgesellschaftliche Organisationen sind von der Corona-Krise spezifisch betroffen. Ihre einmischende, wachende und anwaltschaftliche Arbeit ist besonders wichtig. Bei Hilfsmaßnahmen sind sie oft nicht mitgedacht. Ihre…
55 Minuten zum Anhören: Dass eine freiheitliche Gesellschaft Organisationen der Zivilgesellschaft braucht, zeigt sich nicht nur in der Krise. Ein spannendes Feature über Zivilgesellschaft, Demokratie…
Pressestatement der Allianz “Rechtssicherheit für politische Willensbildung” e.V. zur Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts zur Gemeinnützigkeit von Attac
- Finanzgericht kritisiert Attac-Urteil des Bundesfinanzhofs
- Engagement für Demokratie braucht Rechtssicherheit
Der vierte Senat des Hessischen Finanzgerichts hat heute die Klage von Attac auf Gemeinnützigkeit abgewiesen. Eine erneute Revision vor dem Bundesfinanzhof ist zugelassen und wahrscheinlich.
Genau ein Jahr zuvor hatte der Bundesfinanzhof (BFH) das vorhergehende Urteil des Finanzgerichts aufgehoben, aber nicht abschließend über die Gemeinnützigkeit von Attac entschieden. Der BFH hatte dem Landesgericht enge Vorgaben zur Interpretation des Zwecks der politischen Bildung gemacht, aber nicht zu anderen Zwecken. Der Vorsitzende des hessischen Senats, Helmut Lotzgeselle, kritisierte das BFH-Urteil unter anderem als mit heißer Nadel gestrickt. Eine mögliche erneute Revision gebe dem Bundesgericht die Gelegenheit, sich den Fragen politischer Einmischung durch gemeinnützige Organisationen umfassend und fundiert zu widmen.
Spätestens das Attac-Urteil des Bundesfinanzhofs hat vergangenes Jahr die großen Probleme in der Gemeinnützigkeit auf die öffentliche und politische Tagesordnung gesetzt. Einen Gesetzesentwurf gibt es noch immer nicht. Dennoch passierte 2019 so viel zu Gemeinnützigkeit – manchmal wird erst im Rückblick die Dimension deutlich.
Pressestatement der Allianz “Rechtssicherheit für politische Willensbildung” zur Gemeinnützigkeit der VVN-BdA
- Feinde der Demokratie und der Menschenrechte sind nicht gemeinnützig
- Formelle Regelung in § 51 der Abgabenordnung muss gestrichen werden
- Beweis der Verfassungstreue ist nicht möglich
Zur heutigen Mitteilung, dass das Finanzamt Berlin den Status der Gemeinnützigkeit der Bundesvereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) aberkannt hat, erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz “Rechtssicherheit für politische Willensbildung”, einem Zusammenschluss von mehr als 130 Vereinen und Stiftungen:
“Der Fall der VVN-BdA zeigt erneut Probleme im Recht der Gemeinnützigkeit. Natürlich müssen gemeinnützige Organisationen sich im Rahmen des Grundgesetzes bewegen. Feinde der Demokratie und der Menschenrechte sind nicht gemeinnützig. Doch in Paragraph 51 der Abgabenordnung wird die Beweislast umgedreht. Demnach müssen nicht Finanzamt oder Verfassungsschutz beweisen, dass ein Verein verfassungswidrig handelt, sondern die Organisation muss ihre Verfassungstreue beweisen. Das ist praktisch unmöglich und eine Umkehrung des Rechtsstaatsprinzips.
Gemeinsame Pressemitteilung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), der Allianz “Rechtssicherheit für politische Willensbildung” und des Demokratischen Zentrums Ludwigsburg – Verein für politische und kulturelle Bildung (DemoZ)
- Kleiner Verein in Baden-Württemberg verliert Gemeinnützigkeit
- Finanzamt orientiert sich an Attac-Urteil: “zu politisch”
- “Ohne Gemeinnützigkeit sind wir in unserer Existenz bedroht”
- Bundestag muss Rechtssicherheit schaffen
Das Attac-Urteil wirkt auch auf kleine Vereine: Das örtliche Finanzamt hat dem soziokulturellen Zentrum “Demokratisches Zentrum Ludwigsburg – Verein für politische und kulturelle Bildung” (DemoZ) aus Baden-Württemberg am 24. Oktober 2019 die Gemeinnützigkeit aberkannt. Das gab der Verein am Montag während einer Pressekonferenz in Stuttgart bekannt. “Seit 40 Jahren bietet das DemoZ einen für alle Menschen offenen sozialen Treffpunkt mit zahlreichen Kultur- und Politikangeboten. Ohne den Status der Gemeinnützigkeit sind wir in unserer Existenz bedroht”, erklärte Yvonne Kratz, Vorstandsmitglied des DemoZ. “Für das kulturelle Leben in der Stadt ist ein vielfältiges, für alle zugängliches Programm entscheidend. Dazu trägt das DemoZ durch das meist kostenlose Programm bei. Der Wegfall eines solchen Zentrums ist ein fatales Zeichen für die kulturelle und soziale Entwicklung.”