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AfD gegen Campact

Darf ein gemeinnütziger Verein vor den Zielen einer politischen Partei warnen, weil diese aus seiner Sicht gegenläufig zu seinen gemeinnützigen Zielen und Werten stehen? Mit dieser Frage sieht sich die Kampagnen-Organisation Campact durch eine Anzeige einer AfD-Bundestagsabgeordneten beim Finanzamt konfrontiert. Die Abgeordnete fordert, dem Verein die Gemeinnützigkeit abzuerkennen.

Das Finanzamt hat dazu erklärt, der Frage nachzugehen, wenn die nächste Steuererklärung von Campact geprüft werde. Die ist im üblichen Turnus für die Jahre 2015 bis 2017 fällig. Die Prüfung der vorherigen drei Jahre 2012 bis 2014 fiel ohne Beanstandung der Gemeinnützigkeit aus.

„Wir sind überzeugt: Die Aufklärung über die politische Ausrichtung von Parteien ist gemeinnützig“, schreibt Campact dazu. Die Organisation will sich von den Vorwürfen nicht einschüchtern lassen und würde die Arbeit im Zweifel auch ohne Anerkennung der Gemeinnützigkeit fortsetzen. Campact werde in jeden Fall weiter für seine Werte einstehen. Die AfD verkörpere das Gegenteil dieser Werte.

Falls das Finanzamt der Argumentation der AfD-Abgeordneten folgt, würde der Streit – wie bei Attac  – darum gehen, wo die Grenzen politischer Bildung liegen und was genau mit dem gesetzlichen Zweck „Förderung des demokratischen Staatswesens“ gemeint ist. Zudem würde es darum gehen, wie der nötige Abstand von Gemeinnützigen zu Parteien definiert wird, ohne die Arbeit Gemeinnütziger zu entpolitisieren. Das ist ungeklärt – oder zumindest haben die Finanzverwaltung unter Leitung des Bundesfinanzministeriums und der Bundesfinanzhof als zuständiges Bundesgericht verschiedene Auffassungen, wie das Gesetz auszulegen ist. Der Bundestag hat sich in den vergangenen Jahren einer Klarstellung im Gesetz verweigert.

Unklare Regeln vergrößern Unsicherheit

Campact verweist in seiner Mitteilung darauf, dass die „Bestimmungen zur Gemeinnützigkeit … unklar und teilweise widersprüchlich sind“. Tatsächlich sind auch die Folgen eines vom Finanzamts festgestellten Verstoßes gegen die Gemeinnützigkeit nicht klar geregelt. Eine mögliche Konsequenz ist, dass für die nach Auffassung eines Finanzamtes nicht-gemeinnützig verwendeten Mittel (fehlverwendete Mittel) 30 Prozent Spendenhaftung bezahlt werden muss. Campact hatte nach eigenen Angaben im Jahr 2016 Einnahmen in Höhe von 8,9 Millionen Euro aus Spenden und Förderbeiträgen.

Für Campact bedeutet das große Unsicherheit bis zu einer Entscheidung des Finanzamtes. Unklar ist, ob das Finanzamt der Meinung der AfD-Abgeordneten folgt; ob es in Folge nur eine Rüge ausspricht, ob es für konkrete Ausgaben Spendenhaftung verlangt oder die Gemeinnützigkeit für ein ganzes Jahr aberkennt.

(In einer vorherigen Version stand hier, dass 2,7 Millionen Euro Steuerhaftung drohen. Das ist theoretisch möglich, aber fast nur, wenn das Finanzamt alle Ausgaben von Campact in dem Jahr als nicht gemeinnützig einstufen würde – was kaum droht.)

Die AfD-Abgeordnete verlangt im selbst öffentlich gemachten Brief die Aberkennung der Gemeinnützigkeit wegen eines Spendenaufrufs. Es handle sich dabei um eine „nicht förderungsfähige politische Kampagne innerhalb eines Bundestagswahlkampfes gegen eine bestimmte Partei“. Bildung sei es nicht, da einseitige Agitation. Sie unterstellt „rein parteipolitische Intentionen“. Es könne nicht sein, „dass mit Geldern aus öffentlichen Kassen, also mit Steuergeld, gegen eine Partei agitiert wird“, die sich im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewege.

Tatsächlich ist es Gemeinnützigen verboten, Mittel zur Unterstützung einer politischen Partei aufzuwenden (Abgabenordnung § 55, Absatz 1, Ziffer 1, Satz 3). Nach bisheriger Rechtsprechung umfasst das nicht, die Aussagen von Parteien vor dem Hintergrund der eigenen Zwecke zu beurteilen. Eine ausdrückliche Nicht-Unterstützung ist wohl keine Unterstützung anderer Parteien.

Die Aussage, dass die Arbeit „aus öffentlichen Kassen“ finanziert wird, ist so nicht richtig. Campact erhält nach eigenen Angaben keine öffentlichen Mittel sondern finanziert sich aus Spenden. Die Spenderinnen und Spender können ihre Zuwendungen von ihrem zu versteuernden Einkommen abziehen und so den Staat indirekt an ihrer Spende beteiligen. Der Abzug ist kein Automatismus, sondern muss mit der Steuererklärung beantragt werden. Das können sie jedoch nur, wenn sie auch Steuern zahlen. Der persönliche Vorteil ist so hoch wie der Grenzsteuersatz, also der Prozentsatz, der auf den letzten versteuerte Euro bezahlt wird. Das können nur zehn Prozent sein, maximal 42 Prozent bei Personen, die sehr gut verdienen.

Der Staat geht davon aus, dass der Steuervorteil im Schnitt 30 Prozent beträgt. So viel muss eine gemeinnützige Organisation für nicht gemeinnützig verwendete Mittel als Spendenhaftung zahlen.

Kein Verbot für Gemeinnützige, sich mit Politik und Parteien zu beschäftigen

Das Gemeinnützigkeitsrecht kennt kein Verbot, sich gegen eine Partei zu positionieren. Enger sind die Regeln, wenn der Staat tatsächlich direkt Geld zur Verfügung stellt. So verbietet eine übliche Klausel in Förderbescheiden aus Programmen zur Demokratie-Förderung, dass mit den Mitteln „Demonstrationen, Veranstaltungen, Veröffentlichungen oder sonstige Aktionen gegen Parteien“ unterstützt werden. Denn der Staat müsse neutral gegenüber allen Parteien sein. Die Unterstützung von Initiativen, die sich gegen bestimmte Parteien richten, könne dazu führen, Unterschiede zwischen den Parteien zu vergrößern und so den Wettbewerb zwischen ihnen zu verzerren.

Diese Klausel, hier aus Praxis der hessischen Landesregierung zitiert, greift Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur staatlichen Parteienfinanzierung auf.

Die AfD-Abgeordnete ist übrigens mit der Antwort des Finanzamtes nicht zufrieden, dass das Amt sich nächstes Jahr die Arbeit von Campact anschauen werde, sie aber nicht über das Ergebnis informieren werde – Steuergeheimnis. Sie schreibt dazu, dass sie als Abgeordnete „mit einer offiziellen Anfrage zu gegebener Zeit etwas mehr erfahren“ könne und meint damit wohl eine kleine Anfrage im Bundestag. Eine solche wurde bisher nicht gestellt und könnte so nicht beantwortet werden.

AfD wiederholt gegen Gemeinnützige, aber keine Freundin von Transparenz

Die AfD versucht nicht zum ersten Mal, ihr missliebige Organisationen an einen Gemeinnützigkeits-Pranger zu stellen und zeigt damit ein besonderes Verständnis von Gesellschaft: Sie verlangt einen strafenden, überwachenden, einengenden Staat. Sie ist nicht interessiert an einer unabhängigen Zivilgesellschaft. Sie zeigt, dass sie – wie leider Vertreter anderer Parteien manchmal auch – keine Ahnung von der Vielfalt zivilgesellschaftlicher Organisationen hat, sondern ihr spezifisches Vereins-Bild durchsetzen möchte. August 2017 hatte die AfD-Fraktion im Landtag Baden-Württemberg mit einer Erklärung gefordert, der Deutschen Umwelthilfe (DUH) die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Als Grund nannte sie, dass der Verein „eine stolze Volkswirtschaft ins Wanken bringen kann“ und dass der Verein nur wenige Mitglieder habe („Mitgliederzahl, die mehr nach Alibi ausschaut als nach Vereinsleben“).

Dieses Agieren der AfD gegen gemeinnützige, politisch tätige Organisationen ist umso pikanter, als die AfD Vorteile der Gemeinnützigkeit gerne nutzen möchte – zum Beispiel mit einer parteinahen Stiftung nach dem Muster der anderen Parteien im Bundestag. Und dass ihr Wahlkampf zu großen Teilen aus intransparenten Quellen finanziert wurde. Die OSZE kritisiert in ihrem Bericht über die Bundestagswahl verdeckte Wahlkampfhilfe für die AfD durch den „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit“ im Wert von mehreren Millionen Euro. Wer das Geld dem Verein gegeben hat, sei bis heute unbekannt. Die OSZE empfiehlt besondere Transparenz-Regeln zur Wahlkampffinanzierung, damit sich die Wählerinnen und Wähler noch vor dem Urnengang über die finanziellen Hintergründe der Kandidierenden informieren können. Auch Spenden von weniger als 50.000 Euro sollten sofort veröffentlicht werden.

Anders als der AfD-Hilfsverein macht Campact seine Finanzierung transparent. (Wir auch: http://www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de/die-allianz/transparenz/)

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