Auftrag für die Regierungskoalition: Zivilgesellschaft stärken

Die neue Bundesregierung aus CDU, SPD und CSU ist nun im Amt und arbeitet. Die Regierung formiert sich langsam, neue Minister*innen finden sich in ihre Aufgaben ein und wechseln Staatssekretär*innen aus. Eine Ministerin für Zivilgesellschaft gibt es nicht, auch kein Ministerium für Demokratie. Doch der Koalitionsvertrag steckt voller Aufträge, die Zivilgesellschaft zu stärken. Dieses Arbeitsprogramm muss abgearbeitet werden.

Dafür ist vor allem die SPD am Hebel. Sie stellt nun den Finanzminister (Gemeinnützigkeitsrecht), die Justizministerin (Vereinsrecht, Stiftungsrecht, Verfassungsrecht) und die Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (»Engagementministerin«). Und die SPD war in ihrem Programm zur Bundestagswahl deutlicher, was sie sich zur Verbesserung des Gemeinnützigkeitsrechts wünscht. Der Koalitionsvertrag dagegen ist oft schwammig, ihm fehlt ein kohärentes Demokratie-Verständnis. Die Zivilgesellschaft im Inland wird eher obrigkeitlich als Helfer und Störer betrachtet – ganz anders klingt es, wenn von der Zivilgesellschaft in anderen Ländern die Rede ist.

Damit nicht jedes Ministerium und jede Bundestags-Ausschuss nur Teilaspekte der organisierten Zivilgesellschaft betrachtet, braucht es eine Koordination für Fragen von Demoktratie und Zivilgesellschaft. Der Koalitionsvertrag sieht vor, »Ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement … herausgehoben in der Bundesregierung [zu] verankern« – wie, ist noch völlig unklar.

Chance: Demokratie-Kommission

Eine Chance ist die vereinbarte »Expertenkommission«, die Vorschläge erarbeiten soll, »ob und in welcher Form unsere bewährte parlamentarisch-repräsentative Demokratie durch weitere Elemente der Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie ergänzt werden kann« und »zur Stärkung demokratischer Prozesse«. Meinen es die Koalitions-Parteien ernst damit, dann muss diese Kommission grundsätzliche Fragen der demokratischen Verfassung diskutieren, zu denen auch die Funktionen zivilgesellschaftlicher Organisationen gehören. Und zu den Funktionen gehört die Mitwirkung an der politischen Willensbildung.

Diese Kommission ist eine Chance, dass alle Fraktionen im Bundestag an ihrem Verständnis von Demokratie und Zivilgesellschaft arbeiten, auch ohne Demokratie- oder Zivilgesellschafts-Ministerium. In der Kommission muss diskutiert werden, ob es zur Demokratie passt, zivilgesellschaftliche Organisationen im Inland vor allem als Leistungsempfänger und verlängerten Arm des Staates anzusehen. Ob Bürgerbeteiligung nur in vom Staat geschaffenen Bahnen verlaufen soll. Ob es zum Beispiel bei Volksabstimmungen mehr Waffengleichheit braucht, wenn Parteien, Unternehmen und Berufsverbände für ihre Ziele steuerbegünstigt werben können, selbstlos tätige Organisationen dafür aber oft nicht steuerbegünstigt Spenden sammeln können.

Mehr zum Arbeitsauftrag für die neue Koalition hat Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz, in einem Beitrag für das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) aufgeschrieben.

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